Vom Sturm zerzaust

Windkraftfonds waren bei Ökologen und Steuersparern gleichermaßen beliebt - Jetzt machen sich die Fondsverwalter gegenseitig das Leben schwer

Von André Stahl

Berlin - Das Geschäft mit der Windenergie in Deutschland boomt, und das nicht erst seit den Ölpreis-Turbulenzen im vergangenen Jahr oder wegen des üppigen Fördergelds. Bei der Nutzung der Windkraft ist Deutschland weltweit Spitze. Mit etwa 7000 Megawatt entfällt mehr als die Hälfte des in Europa produzierten Windstroms und mehr als ein Drittel der Weltproduktion auf die Bundesrepublik. Weil die Deutschen auch Weltspitze bei der Suche nach Steuersparmodellen sind, haben entsprechende Windkraftfonds enormen Zulauf. Nach dem Motto «Werde reich und tue Gutes» engagieren sich nicht nur Greenpeace-Aktivisten, sondern auch Abschreibungskünstler als Anteilseigner an derlei Fonds.

Die Aussichten sind nicht schlecht - zumindest weltweit. In Deutschland ist es inzwischen äußerst eng geworden, das Geschäft stößt hierzulande an seine Grenzen. Denn geeignete Flächen für Windparks sind knapp. Auch hinter den euphorischen Auslandsplänen stehen viele Fragezeichen. Auf dem ziemlich zersplitterten Markt der schätzungsweise 100 Fondsanbieter für Windkraft geht es daher deutlich rauer zu.

Eine offenbar um sich greifende neue Methode im Fonds-Kampf erinnert ein wenig an Piratentum: Fonds erobern andere, indem sie mit Hilfe einiger Anleger der Übernahmkandidaten die alte Geschäftsführung verdrängen - nicht unbedingt nur aus schlecht gehenden «Gurkenfonds». Das Risiko für das neue Management ist gering, für Kleinanaleger dagegen um so höher. Die rechtlichen Konsequenzen dieser Wild-West-Praktiken sind noch völlig offen. Eines steht fest: Der ökologische Heiligenschein der Umweltbranche ist längst verblasst.

In den vergangen drei bis vier Jahren war es für Steuerspar-Spezialisten «en vogue», in Windkraftfonds zu investieren. Im Jahr 2000 haben Kleinanleger nach Berechnungen von Fondsexperte Stefan Loipfinger knapp 700 Millionen DM (357 Mio. Euro) angelegt - ein Zuwachs von fast 70 Prozent im Vergleich zu 1999. In diesem Jahr dürfte die Milliardenschwelle übertroffen werden. Einschließlich staatlicher Kredite und Bankdarlehen könnte das Volumen von Windkraftfonds auf 5,3 Milliarden DM steigen.

Im kommenden Jahr dürfte die Zahl neuer Anlagen jedoch sinken. Angesichts begrenzter Flächen im Binnenland muss die Branche umdenken. Neben dem, mit etlichen Fragezeichen verbundenen Aufbau so genannter Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee drängt es die Anbieter ins Ausland. Doch auch dies gilt Fondszeichnern als höchst fraglich. So dürfte hier der Fiskus kaum mitspielen, was steuerliche Aspekte betrifft. Die Unsicherheiten hatten auch renommierte Börsenunternehmen wie Energiekontor, Plambeck, P&T und Umweltkontor zu spüren bekommen.

Weil neue Windkraftfonds kaum noch zu erwarten sind, «drängen Konkurrenten in bestehende Fonds, um bei den Gebühren abzusahnen», sagt Fondsmanager Udo Bockemühl von der Ökologik Ecovest AG. «Das fängt an, sich langsam durchzusetzen», klagt der Manager, der selbst aus zwei Fonds verdrängt wurde. «Das Hauen und Stechen kommt nicht von den Großen, sondern von kleinen Hasardeuren.»

Nun sollte man annehmen, dass dies nur bei schlecht gehenden Fonds erfolgreich ist, weil die Eroberer ja die Anleger des bestehenden Fonds für ihre Pläne gewinnen müssen. Auf dieses Problem verweist auch Fondsexperte Loipfinger. Bockemühl hält dagegen, dass jeder Fonds-Betreiber auch weniger gut laufende Projekte in seinem Bestand hat, die dann sozusagen als Einfallstor benutzt werden. «Vor allem klappt das aber, wenn mit wahrheitswidrigen Behauptungen vorgegangen wird.» Da interessiere dann auch nicht mehr, dass trotzdem Geld an die Investoren ausgeschüttet werde.

Im Windkraftsektor gibt es im Vergleich zu anderen Steuersparmodellen weniger notleidende Fonds. Schätzungsweise 20 Prozent laufen nicht so, wie in Prospekten versprochen. Um die Ausschüttung an Investoren (Kommanditisten) zu sichern, gleichen Fondsmanager (Komplementäre) Liqiuiditätsschwankungen ihrer einzelnen Objekte aus, «Cash-Pooling» genannt. So kann ein Fonds mal ein Geber-, mal ein Nehmerfonds sein. Das akzeptieren nicht alle Anleger, sie scharen andere Unzufriedene um sich. Und Mehrheiten sind leicht zu bekommmen, liegt die Präsenz auf Gesellschafterversammlungen doch oft bei nur zehn Prozent.

Für die neuen Herren der Fonds lohnt sich der Deal: «Die können ohne viel Aufwand und Kosten 20 Jahre lang Gebühren kassieren», sagt Bockemühl. Das sind pro Fonds zwar nur rund 80 000 DM im Jahr, was sich bei mehreren «eroberten» Fonds dann aber durchaus lohne, rechnet er vor. Das einzige Risiko sei, dass sie die Einlage von 50 000 DM verlieren könnten.

Dafür ergeben sich etliche Fragen, denen sich wohl auch der Gesetzgeber wird stellen müssen. So ist nach einer Abwahl beispielsweise die Haftungsfrage alles andere als klar. Wenn nämlich der neue Geschäftsführende Gesellschafter in Insolvenz geht und kein Nachfolger gefunden wird, dann kann aus einer KG (Kommanditgesellschaft) schnell eine OHG (Offene Handelsgesellschaft) werden. Damit würden die Anleger haften, und zwar nicht mit ihren Einlagen, sondern mit ihrem Privatvermögen. Wer wird überhaupt verantwortlich gemacht, wenn der «eroberte» Fonds später baden geht? fragen sich nicht nur Banken. Schließlich hat die alte, abgesetzte Geschäftsführung im Prospekt geworben.

Berliner Morgenpost vom 7.10.01