Handelsblatt, 23.07.2001
Monti droht Koalition mit Beihilfe-Verfahren

EU-Kommission nimmt Gesetz zur Förderung des Ökostroms ins Visier - Streit auch um die Kohleförderung
MICAEL SCHEERERBRÜSSEL. Nach dem jahrelangen Streit um die Landesbanken zeichnet sich zwischen Brüssel und Berlin ein neuer schwerer Konfklikt ab. EU-Kommissar Mario Monti droht der Bundesregierung mit einem Beihilfe-Verfahren gegen das Gesetz zur Förderung von Ökostrom, eines der Prestigeprojekte der rot-grünen Berliner Koalition. Dies geht aus einem Schreiben Montis an Bundesfinanzminister Hans Eichel hervor, das dem Handelsblatt vorliegt.
Monti bemängelt darin, daß in dem Gesetz nicht nur private Stromabnehmer, sondern auch Stadtwerke und Regionalversorger Ökostrom zu hohen Mindestpreisen abnehmen müssen. Da es sich um öffentliche Unternehmen handele, liege ein Transfer staatlicher Mittel vor, so Monti. Damit erfülle das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ebenso wie dessen Vorläufer, das Stromeinspeisungsgesetz, den Tatbestand einer Beihilfe.
Die rot-grüne Koaltion wurde von dem Querschuß aus Brüssel überrascht. Denn der Europäische Gerichtshof hatte der Bundesregierung erst im vergangenen März bescheinigt, daß die Förderung von Ökostrom durch Abnahmeverpflichtungen und Preisaufschläge rechtens sei. Doch der juristische Dienst der Kommission empfahl Monti, dennoch die beihilferechtliche Prüfung einzuleiten.
In Berlin werden Montis Einwände als "spitzfindig und abwegig" zurückgewiesen. Wegen des Streits fanden am vergangenen Freitag erstmals Gespräche zwischen Berlin und Brüssel statt. Die Bundesregierung  drängt darauf, daß der seit 1. Juli amtierende Chef-Jurist der EU-Kommission, der Franzose Michel Petite, den Fall erneut prüft.
Auch über die Frage der Kohleförderung nach dem Auslaufen des EGKS-Vertrages im Juli nächsten Jahres bahnt sich ein Konflikt zwischen Brüssel und Berlin an. In einem Brief an die zuständige EU-Kommissarin Loyola de Palacio fordert Wirtschaftsminister Müller, nationale Kohle-Beihilfen langfristig zu ermöglichen. Sonst fehlten den deutschen Bergleuten "Planungssicherheit und verläßliche Perspektiven". Der Entwurf de Palacios sieht für eine EGKS-Anschlußregelung bis zum Jahr 2007 vor: Weitere Subventionen will die Spanerin lediglich als Option eröffnen. Während Berlin auf größere Zugständnisse drängt, fordern Monti und Umweltkommissarin Margot Wallström ein definitives Auslaufen der Beihilfen in 2010.

Wirtschafts-Woche Politik 23.7.2001 22:50
Ökostrom: Ist Förderung eine illegale Beihilfe?
Der Bundesregierung droht neuer Streit mit der EU-Wettbewerbskommission. Der zuständige EU-Kommissar Mario Monti habe gegen das Gesetz zur Förderung von Ökostrom ein Beihilfe-Verfahren angedroht, berichtet das „Handelsblatt“.
Dies gehe aus einem Schreiben Montis an Bundesfinanzminister Hans Eichel hervor, das dem Blatt vorliege. Monti bemängele, dass das Gesetz nicht nur private Stromabnehmer, sondern auch Stadtwerke und Regionalversorger dazu verpflichte, Ökostrom zu hohen Mindestpreisen abzunehmen.
Da es sich um öffentliche Unternehmen handele, liege ein Transfer staatlicher Mittel vor. Damit erfülle das Gesetz den Tatbestand einer Beihilfe. Wegen des Streits hätten am vergangenen Freitag erstmals Gespräche zwischen Berlin und Brüssel stattgefunden.

Welt, Die Wirtschaft 23.7.2001 22:4
Brüssel geht gegen Ökostrom vor
EU-Kommissar Monti hält die Subventionen in Deutschland für nicht rechtmäßig
Berlin - Die EU-Kommission und die Bundesregierung streiten erneut über die Subventionierung von Ökostrom. EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti sieht sowohl in dem Erneuerbare Energien-Gesetz als auch im Gesetz zur Kraft-Wärme-Koppelung mögliche Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht. Die Bundesregierung beharrt hingegen auf der Rechtmäßigkeit ihrer beiden energiepolitischen Gesetze.
In einem Brief an Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) vom vergangenen Juni kündigte Monti an, dass er das Erneuerbare Energien-Gesetz erneut prüfen werde. In dem Gesetz sind Mindestpreise und Abnahmepflichten für Strom aus Wind, Sonne und Biomasse festgesetzt. Die Quoten gelten sowohl für private als auch für öffentliche Unternehmen. Erst im März hatte der Europäische Gerichtshof der Bundesregierung die Rechtmäßigkeit der Subventionierung von Ökostrom bescheinigt. Derartige Einschränkungen des freien Wettbewerbs seien zum Zwecke des Umweltschutzes zulässig, urteilten die Richter.
Das Luxemburger Urteil zum deutschen Stromeinspeisungsgesetz habe aber Fragen offen gelassen, sagte der Sprecher des Wettbewerbskommissars am Montag in Brüssel. Denn nach Ansicht Montis bezieht sich der EuGh-Spruch nur auf private Elektrizitätsanbieter. Über die Lage bei den öffentlichen Unternehmen, also den Stadtwerken oder Regionalversorgern, die ebenfalls den Ökostrom zu überhöhten Preisen abnehmen müssen, habe Luxemburg hingegen nicht entschieden, meint Monti.
Unter Hinweis auf die bisherige Praxis der EU-Kommission vertritt der Wettbewerbskommissar in seinem Schreiben die Auffassung, dass die Zahlungsverpflichtung eines öffentlichen Unternehmens den Tatbestand der Beihilfe erfülle. Dies gelte nicht nur für das Erneuerbare Energiengesetz, sondern gleichermaßen für das Gesetz zur Kraft-Wärme-Kopplung. Monti warnte die Bundesregierung, dass er die Einleitung eines offiziellen Beihilfeverfahrens nicht ausschließe. Eine Entscheidung soll allerdings frühestens nach der Sommerpause fallen.
Das Finanzministerium hatte den Vorwurf der ungerechtfertigten Beihilfegewährung bereits im Juni in einem Antwortschreiben zurückgewiesen. Der EuGh habe in seinem Urteil keinen Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen gemacht. "Wir haben eine andere Rechtsauffassung als EU-Kommissar Monti", sagte eine Ministeriumssprecherin am Montag. In Berlin rechne man aber nicht mit einem Verfahren, sondern setze auf eine Einigung mit Monti.
Unstimmigkeiten zwischen Brüssel und Berlin gibt es auch über die Zukunft der deutschen Steinkohlebeihilfen. Die EU-Energiekommissarin Loyola de Palacio hat ein Papier entworfen, worin die schrittweise Abschaffung der Kohle-Subventionen bis 2010 verlangt wird. Anschließend müsse ein Sockel bereit stehen, der eine Mindestproduktion im Kohlesektor vorsehe, heißt es in dem Entwurf. "Dies ist für die Versorgungssicherheit im Energiesektor notwendig", heißt es. Innerhalb dieses Sockels an Primärenergien könnten die Mitgliedsstaaten somit die Kohleförderung weiter unterstützen. Denn die Kohleproduktion wäre ohne öffentliche Gelder nicht möglich.
Das Konzept entspricht den Forderungen von Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos), der sich wiederholt für einen solchen Sockel ausgesprochen hatte. Innerhalb der Brüsseler Kommission gibt es allerdings starken Widerstand gegen die Pläne de Palacios. Vor allem Umweltkommissarin Margot Wallström und Wettbewerbskommissar Mario Monti wehren sich gegen weitere Subventionen. Sie führen umwelt- und wettbewerbspolitische Argumente an und wollen die Beihilfen vor 2010 auslaufen lassen. dsi/dpa

Frankfurter Rundschau Wirtschaft 23.7.2001 23:5
Öko-Strom droht Gegenwind aus Brüssel
EU-Wettbewerbshüter überprüfen Gesetz für erneuerbare Energien / Berlin spricht von "Formalismus"
mbe BRÜSSEL. Der Bundesregierung droht ungeachtet eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Ungemach aus Brüssel in der Frage der Förderung von Öko-Strom. Nach den Worten eines Sprechers von Wettbewerbskommissar Mario Monti wird das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) derzeit "beihilferechtlich" geprüft. In Berlin stößt dieses Vorgehen auf Befremden.
Im März hatten die Luxemburger Richter ein Urteil verkündet, das in Berlin große Zufriedenheit und in Brüssel Zähneknirschen ausgelöst hatte. Die Vorgänger-Regelung zum EEG, das so genannte Stromeinspeisungsgesetz, verstoße nicht gegen EU-Recht, befand der EuGH damals. Damit wurden Vorbehalte Montis abgewiesen, die in dem Gesetzeswerk festgelegten Mindestpreise und Abnahmeverpflichtungen für Elektrizität aus Wind-, Sonnenenergie und Biomasse liefen auf eine illegale Subventionierung der Ökostrombranche hinaus. Derlei Bedenken zielten ins Leere, argumentierte der EuGH, da die Mehrkosten für den vergleichsweise teuren Ökostrom im Rahmen eines Umlageverfahrens letztlich von den privaten Versorgungsunternehmen sowie von den Verbrauchern getragen würden.
Unmittelbar nach der Urteilsverkündung hatte Monti noch angedeutet, weitere Schritte gegen das EEG seien nun wohl hinfällig. Der Wettbewerbskommissar änderte aber wenige Wochen später seine Meinung und legte nach. In einem Brief an das federführende Berliner Finanzministerium bringt Monti vor, das Luxemburger Urteil habe sich nur auf die Abnahmepflichten und Mindestpreise für "private" Energieversorger bezogen; außen vor blieben jedoch die Verpflichtungen für "öffentliche" Betreiber wie Stadtwerke, die durch das EEG mit erfasst würden. Montis Fazit: "Zahlungsverpflichtungen" für öffentliche Unternehmen könnten den Tatbestand einer staatlichen Subventionierung erfüllen, daher müsse Berlin mit einem förmlichen Beihilfeverfahren rechnen.
Kommissionsbeamte wichen gestern der Frage aus, ob der oberste Wettbewerbshüter aus eigenem Antrieb handelt oder ob er vom einflussreichen juristischen Dienst der Brüsseler Behörde vorgeschickt wird, der die Luxemburger Niederlage bis heute nicht verwunden habe. Man müsse jetzt prüfen, inwiefern eine Beihilfe vorliege und ob diese gegebenenfalls im Einklang mit den großzügigen EU-Umweltausnahmeregelungen stehe, hieß es in Montis Umgebung. Im Berliner Bundesfinanzministerium zeigte man sich gestern "überrascht" und bezichtigte die Kommission des "Formalismus". Wenn die Bundesregierung das EEG im Sinne Montis ändere, würde dies unweigerlich private Energieversorger im Verhältnis zu städtischen schlechter stellen, wurde in Berlin zu bedenken gegeben. Dokument erstellt am 23.07.2001 um 21:19:07 Uhr, Erscheinungsdatum 24.07.2001

Berliner Zeitung Wirtschaft 24.7.2001 6:13
BerlinOnline: Monti stößt sich an rot-grüner Energiepolitik
Förderung erneuerbarer Energien auf dem Prüfstand
Bettina Vestring
BRÜSSEL, 23. Juli. Der Brüsseler Wettbewerbskommissar Mario Monti geht weiterhin gegen die Energiepolitik der rot-grünen Regierung in Berlin vor. Sein Sprecher bestätigte am Montag auf Anfrage, die Kommission prüfe, ob die Förderung des Ökostroms und der Kraft-Wärme-Kopplung möglicherweise zu unzulässigen Beihilfen führe. Monti habe bereits an den deutschen Finanzminister Hans Eichel geschrieben, um ihn von seinen Bedenken zu unterrichten. Der Sprecher konnte allerdings nicht sagen, wann die Kommission eine Entscheidung über die Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens treffen werde.
Zweifel am Verfahren
Allerdings wurden am Montag auch in der Kommission selbst Zweifel laut, ob ein solches Verfahren Sinn machen würde. Wichtigster Grund für die Skepsis in den eigenen Reihen ist ein Urteil, das der Europäische Gerichtshof im März gefällt hatte. Die Richter hatten schon damals in einem ersten Verfahren entschieden, dass es sich bei den Mindestabnahme-Preisen für Ökostrom nicht um Beihilfen handele. Die Begründung: Es habe keine ummittelbare oder mittelbare Übertragung staatlicher Mittel gegeben.
Dasselbe gilt zwar auch für die Gesetze für erneuerbare Energien und die Kraftwärmekopplung. Die juristischen Experten der EU-Kommission meinen aber, dass der Fall jetzt trotzdem anders gelagert sei, weil die Eigentümerform unterschiedlich sei: Der Europäische Gerichtshof habe über Garantiepreise entschieden, die ein privater Stromversorger einem anderen privaten Stromkonzern gezahlt habe. In dem neuen Verfahren würde es aber um die Abnahmepflicht von Stadtwerken und anderen Versorgern im öffentlichen Besitz gehen. Deswegen könne man vermuten, dass die Mindestabnahmepreise dann eine Übertragung staatlicher Mittel darstellten.
"Juristische Spitzfindigkeiten", erklärte dazu ein EU-Vertreter. Würde die Kommission tatsächlich dieser Logik folgen, würden sich neue Wettbewerbsverzerrungen ergeben. Denn private Unternehmen müssten dann die Garantiepreise bezahlen, während öffentliche Firmen aus Gründen der Beihilfepolitik ausgenommen blieben. Schließlich gebe es auch noch einen weiteren Grund, warum ein Verfahren gegen das Eneuerbare-Energien-Gesetz und das Gesetz zur Kraft-Wärme-Kopplung am Ende vermutlich aussichtslos sei. Wettbewerbskommissar Monti selbst habe nämlich vor kurzem Leitlinien für Umweltbeihilfen angenommen, die sehr großzügig gefasst seien. Beihilfen zu Gunsten von erneuerbarer Energie und einer effizienteren Energieausnutzung würden deswegen aller Wahrscheinlichkeit nach genehmigt werden.
Nicht ohne weiteres einstellen
Damit bleibt nur die Frage offen, warum die Brüsseler Wettbewerbshüter das Verfahren gegen die beiden deutschen Gesetze überhaupt noch betreiben. In Kreisen der Europäischen Union hieß es dazu erklärend, mit dieser Prüfung habe man bereits begonnen, bevor der Europäische Gerichtshof die neue Definition von Beihilfen vorgegeben habe. Eine einmal begonnene Untersuchung lasse sich aber nicht ohne weiteres einstellen. "Die Wettbewerbsexperten können das nicht einfach so ad acta legen", sagte ein EU-Vertreter.

Stuttgarter Zeitung Wirtschaft 24.7.2001 9:16
Vorbehalte gegen Ökostromgesetz
Vorbehalte gegen Ökostromgesetz
BRÜSSEL (dpa). Die EU-Wettbewerbsbehörde hat weiterhin Vorbehalte gegen das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zum Ankurbeln von "grünem Strom'' aus Alternativenergien. Auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum deutschen Stromeinspeisungsgesetz habe Fragen offen gelassen, sagte der Sprecher von EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti in Brüssel. Monti habe sich deshalb vor rund sechs Wochen an Bundesfinanzminister Hans Eichel gewandt. Der Sprecher ließ es offen, ob die Kommission ein formelles Verfahren dazu eröffnen will. Entscheidungen seien frühestens von der Sommerpause an zu erwarten, die in Brüssel bis Ende August läuft. Das Tauziehen zwischen Berlin und Brüssel um Regelungen zur Förderung von Ökostrom läuft seit Jahren, bisher allerdings ohne klares Ergebnis. Die EU-Wettbewerbshüter prüfen das EEG - das Nachfolgegesetz des Stromeinspeisungsgesetzes -, weil sie dabei versteckte Staatsbeihilfen vermuten.

Nordwest Zeitung Wirtschaft 24.7.2001 8:25
Neue Attacke gegen „Ökostromgesetz“
Brüssel lässt nicht locker – Weiter Verdacht auf verdeckte Beihilfen
dpa Brüssel. Die EU-Wettbewerbsbehörde hat weiterhin Vorbehalte gegen das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zum Ankurbeln von „Ökostrom“ aus Alternativenergien. Auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum deutschen Stromeinspeisungsgesetz habe Fragen offen gelassen, sagte gestern der Sprecher von EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti. Monti habe sich deshalb vor sechs Wochen an Bundesfinanzminister Hans Eichel gewandt. Der Sprecher ließ offen, ob die Kommission ein formelles Verfahren eröffnen will.
Die EU-Wettbewerbshüter prüfen das EEG - das Nachfolgegesetz des Stromeinspeisungsgesetzes -, weil sie versteckte Staatsbeihilfen vermuten. Brüssel argumentiert, das EuGH-Urteil vom März beziehe sich auf Abnahmepflicht von „Ökostrom“ durch private Versorger, nicht aber durch öffentliche Unternehmen, wie beispielsweise Stadtwerke. Das Luxemburger Gericht hatte entschieden, die Bevorzugung von Ökostrom verstoße nicht gegen EU-Recht.
Die Vorbehalte Brüssels richten sich auch gegen das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz. Dieses schützt die überwiegend kommunalen Kraftwerke, die Strom und Wärme zugleich erzeugen, vor den Folgen des Preisverfalls auf den geöffneten Energiemärkten. Brüssel hatte bereits das deutsche Stromeinspeisungsgesetz in einem Verfahren untersucht, dieses aber eingestellt, weil das Gesetz inzwischen nicht mehr gilt.

Tagesspiegel Wirtschaft 24.7.2001 1:41 & Potsdamer Neueste Nachrichten Wirtschaft 24.7.2001 0:45
EU-Wettbewerb: Müller und Monti streiten über Energiepolitik
Konflikt um Ökostromförderung und Steinkohlebeihilfen
Die Energiepolitik sorgt erneut für Konfliktstoff zwischen der Europäischen Kommission und der Bundesregierung. EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti hat in einem Schreiben an Wirtschaftsminister Werner Müller seinen Anspruch unterstrichen, das Erneuerbare Energiengesetz (EEG; siehe Lexikon) zu überprüfen. Nach Montis Auffassung stellt die Subventionierung von Ökostrom eine unerlaubte Beihilfe dar. Dagegen hatte der Europäische Gerichtshof im März bescheinigt, dass die im EEG verankerten Mindestpreise und Abnahmepflichten für Strom aus Wind, Sonne oder Biomasse rechtens sind. Doch Monti besteht darauf, das EEG in Brüssel unter die Lupe zu nehmen. Das Luxemburger Urteil beziehe sich nur auf private Elektrizitätsunternehmen, argumentiert der Kommissar. Es seien in Deutschland jedoch auch öffentliche Regionalversorger und Stadtwerke zur Einspeisung von Ökostrom verpflichtet. Diese wiederum könnten die Mehrkosten über Umschichtungen in den Haushalten abwälzen. Der Vorstoß des Italieners stößt in Berlin auf Empörung. Im Umfeld Müllers hieß es, die Kommission müsse aufpassen, "ihre wirtschaftspolitische Neutralität nicht zu verletzen".
Auch im Streit um die Zukunft der Steinkohle steuert Müller auf Konfrontationskurs. Die für Energiepolitik zuständige EU-Kommissarin Loyola de Palacio will eine Anschlussregelung für den EGKS-Vertrag vorlegen, der im Juli nächsten Jahres ausläuft. De Palacios Vorschlag sieht vor, dass Beihilfen für den Kohlebergbau nur noch bis 2007 verlängert werden sollen. In einem Brief an die Kommissarin wies Müller dies als unzureichend zurück.

Wirtschaftsminister kämpft für erneuerbare Energien

Brief an EU-Energiekommissarin
ms/uhl
EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti will im wieder aufgeflammten Streit um die deutsche Förderung von Ökostrom offenbar die Wogen glätten: "Wir wollten nur informieren, dass die Sache nicht vom Tisch ist", sagte ein Sprecher am Montag. Wie das Handelsblatt berichtete, hatte der Wettbewerbskommissar in einem Schreiben an Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) deutlich gemacht, dass er die Förderung von Ökostrom durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nach wie vor für beihilferechtlich bedenklich hält.
Diese Frage hatte ursprünglich als geklärt gegolten, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) im März die Verpflichtung privater Elektrizitätsunternehmen, Ökostrom zu Mindestpreisen abzunehmen, nicht als staatliche Beihilfe gewertet hatte. Montis Argument dagegen: Der EuGH habe sich nur auf private Energieversorger bezogen. Aber auch öffentliche Unternehmen wie Stadtwerke würden zur Zahlung der Mindestpreise verpflichtet. Daher sei der Beihilfebegriff des EuGH, der eine Beteiligung öffentlicher Kassen gefordert hatte, hier durchaus erfüllt.
Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) hat inzwischen die EU-Energiekommissarin Loyola de Palacio in einem Brief gebeten, sich für eine Einstellung der Beihilfeverfahren zum EEG und zum KraftWärme-Kopplungs-Gesetz einzusetzen. "Das Urteil des EuGH hat nach Überzeugung der Bundesregierung ohne jede Abstriche unsere Rechtsauffassung bestätigt, dass beide Regelungen keine Beihilfe darstellen", betonte Müller.
Nach Einschätzung Müllers hätte eine Fortsetzung des Beihilfestreits eine "verheerende Wirkung" auf die Bereitschaft von Wirtschaft und Verbrauchern, in moderne, umweltfreundliche Energietechniken zu investieren. Das EEG ziele darauf, den Anteil regenerativen Stroms im deutschen Strommarkt in den nächsten zehn Jahren zu verdoppeln.

TAZ Vermischtes 23.7.2001 22:26
"Der schlechte Verlierer Monti"
Wettbewerbskommissar will Bundesregierung an den Ökostrom gehen: Erneuerbare-Energien-Gesetz und Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung sind für ihn Subventionen
BERLIN taz Die Briefe des Mario Monti sind gefürchtet. Mit seinem jüngsten Schriftstück - adressiert an Bundesfinanzminister Hans Eichel - macht der EU-Wettbewerbskommissar solcherlei Ruf alle Ehre. Zwei Prestigeobjekte der rot-grünen Regierung, schreibt Monti, würden staatliche Subventionen festschreiben und seien damit nicht zu halten: das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das Abkommen zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung. Die Einleitung eines förmlichen Beihilfeverfahrens gegen die Bundesregierung sei daher "nicht auszuschließen", zitierte das Handelsblatt den Wettbewerbskommissar. Sein Argument: Von den Zuwendungen aus staatlichen Mitteln "sind auch öffentliche Unternehmen betroffen". Einfacher ausgedrückt: Monti missfällt, dass kommunale Stadtwerke von der Förderung profitieren, was "drastische Wettbewerbsverluste der Privaten" brächte.
Michaele Hustedt, energiepolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, bezeichnete Monti gestern "als schlechten Verlierer". Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) im März sei "Ruhe im Karton" gewesen. Das Gericht hatte eine Klage der großen deutschen Stromversorger behandelt, die die staatliche Förderung als Subvention einstufen lassen wollten. Die Förderung sei rechtens und keine in Brüssel genehmigungspflichtige Beihilfe, urteilten die EuGH-Richter damals, was die Berliner Regierenden zu dem Statement veranlasste, das Urteil sei bahnbrechend, weil es erstmals ökologisch Belange vor ökonomische stellte.
Juristen allerdings hatten wiederholt gewarnt, dass die Urteilsdarstellung "Ökologie vor Ökonomie" viel zu vereinfacht, der Spruch tatsächlich komplexer und komplizierter sei. Genau dort setzt jetzt Monti an.
Hustedts Argumentation setzt ganz anders an: "Die Förderung ist keine Beihilfe im EU-Sinne, weil sie nicht aus dem Haushalt, sondern über eine Umlage finanziert wird." Zudem könne Monti ein Verfahren nur mit Zustimmung der Kommission einleiten. "Die wird er nicht bekommen", erklärte die Grüne und rechnete vor, dass er weder von den deutschen Kommissaren Michaele Schreyer und Günter Verheugen noch von Energiekommisarin Loyola de Palacio Zustimmung bekäme. Zudem gebe es inzwischen auch in Spanien, Dänemark und Frankreich Einspeiseverordnungen - nach deutschem Vorbild. Hustedt: "Das Einzige, was Monti mit seinem Brief erreicht: Er verschreckt Investoren". taz Nr. 6504 vom 24.7.2001, Seite 9, 83 Zeilen TAZ-Bericht NICK REIMER


Financial Times Wirtschaft 23.7.2001 23:12
Marktplatz: Strom für gute Nerven

Von Matthias Dezes, Frankfurt

Die neuen Energieformen von heute werden zweifellos die wichtigsten Energieträger von morgen sein - sofern "morgen" in 20 Jahren ist.

Clever also, wer sich schon heute in Fonds oder Zertifikate einkauft, die Aktien von Brennstoffzellen-Herstellern, Entwicklern von Wasserstoff-Technologien oder Anbietern von Solartechnik enthalten.

Allerdings handelt es sich hierbei um Technologien und Produkte, die entweder erst in vergleichsweise kleinen Volumina verkauft werden oder sich erst in der Erprobungsphase befinden, wie zum Beispiel die Brennstoffzellen-Technologie. Dass der Brennstoffzelle und letztlich auch dem Wasserstoff langfristig die Zukunft gehören, bezweifelt niemand mehr ernsthaft. Doch sind gerade die Aktien solcher Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit auf diese Technologien konzentrieren, extrem anfällig gegen schlechte Nachrichten.

Langfristige Gewinne

Die gestern geäußerte Kritik des EU-Wettbewerbskommissars Mario Monti am deutschen "Erneuerbare-Energien-Gesetz" hat relativ geringfügige Auswirkungen. Eher schon lösen Meldungen, die den Beginn des Wasserstoff-Zeitalters in noch weitere Ferne rücken, bei den Brennstoffzellen-Technologieformen Ballard und Fuel Cell Energy einen Kurssturz aus. Zudem kommuniziert die Brennstoffzellen-Lobby falsch. Sie setzt auf das Thema Auto, obwohl hier die Verwendung der Brennstoffzelle am schwierigsten erscheint. Andere Bereiche wie der stationäre Einsatz in der Stromgewinnung, in denen sich Brennstoffzellen bewährt haben, werden vernachlässigt.

Ergo: Wer auf die neuen Energien als Geldanlage setzt, braucht starke Nerven, darf sich aber langfristig zu den Gewinnern zählen.

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