Hansjürgen Doss MdB:
Das windige Geschäft mit der Windkraft

Windparks quer durch die Republik. Unzählige Windkraftanlagen. Für den einen eine glänzende Gewinnaussicht, für den zweiten eine Idealvorstellung ökologischer Energieversorgung, für den dritten eine Horrorvision. Der eine ist Unternehmer, baut und betreibt Windräder und freut sich über 15 Prozent jährliche Zuwachsraten, trotz der Flaute auf dem Börsenparkett. Der zweite ist ein unerschütterlicher Ökofundi, dessen reiner Lehre mit schlichten Tatsachen nicht beizukommen ist. Der dritte ist Bewohner einer ländlichen Region, die reihenweise mit Giganten aus Beton und Stahl zugestellt wird und mit ihrer Ursprünglichkeit und ihrer Lebensqualität auch ihre touristische Attraktivität verliert.

Ist das ein Preis den wir für erneuerbare und damit ökologische Alternativen bei der Energieversorgung zahlen müssen? Nehmen wir die Massierung von Windindustrieanlagen auf den Kämmen der Mittelgebirge und auf den Feld- und Rebhügeln in Kauf, weil damit Schadstoffemissionen reduziert und Atomstrom ersetzt wird? Gewöhnen wir uns an Offshore-Parks mit 150 Turbinen im Watt, weil wir uns damit unabhängig machen von den Ölscheichs? Oder verhüllt die Ökoverpackung lediglich ein Riesengeschäft mit cleveren Jungunternehmern und windigen Anlagevertretern? Ist der Schutz von Umwelt und fossilen Ressourcen nur eine rechnerische und damit nur theoretische Größe, die aufgestellt wurde als Begründung im Antrag auf staatliche Fördermittel? Sind Windkraftanlagen nur ein großer Bluff, ein Energieplacebo, das die Sicherung der Versorgung über das Ende der Rohstoffreserven hinaus suggeriert und dabei die Untätigkeit bei der Forschung und Entwicklung echter Alternativen kaschiert?

Nicht nur viel Wind, auch viel Nebel umgibt die Stromgewinnung aus Windenergie. Höchste Zeit, den Blick auf das tatsächliche Leistungsvermögen der Windenergie freizumachen, die ökologische und die ökonomische Bilanz der Windwirtschaft offen zu legen und gegenüber dem Steuerzahler Rechenschaft über die Verwendung beträchtlicher Subventionen einzufordern. Dabei muss man sich freilich davor hüten die von Ökoideologen und Ökoromantikern, vor allem aber von den Marketingabteilungen der Windindustrie schöngezeichnete Darstellung der Windenergie einfach schwarz zu übermalen. In einem Glaubenskrieg hätten die Befürworter der "sauberen und unendlich verfügbaren Windenergie" ohnehin die besseren Siegchancen. Deshalb kann es lediglich um eine nüchterne Analyse der aktuellen und künftigen Leistungsfähigkeit der Windkraft und ihre aktuelle und künftige Funktion im Rahmen der Stromversorgung gehen, um aufgrund von Daten und Fakten leidenschaftslos die Frage zu stellen: Wie viele Windkraftanlagen verträgt unser Land?

Auf 357.000 deutschen Quadratkilometern stehen derzeit rund 10.000 Windkraftanlagen. Auf 35,7 Quadratkilometern eine Anlage ist dabei allerdings ein Durchschnittswert ohne Aussagekraft. Selten stehen einzelne Windmühlen der Neuzeit in der Landschaft, meist konzentrieren sie sich in größerer Stückzahl auf mehr oder weniger windgünstigen Flächen oder treten in Windparks regelrecht im Rudel mit Hundert und mehr Türmen auf. Wo vorher Getreide, Weinreben oder Grashalme wuchsen, stehen Stahl- und Betonkonstruktionen, die bis zu 150 Meter hoch sind, auf in die Erde eingelassenen Fundamenten von der Größe eines Einfamilienhauses und mit Rotorblättern, die die Größe eines Fußballfeldes abdecken. Neue Zahlen enthält die Antwort der rheinland-pfälzischen Landesregierung auf eine Große Anfrage der CDU-Landtagsfraktion. Demnach hat sich die Zahl der Windkraftanlagen in Rheinland-Pfalz seit 1996 (130) bis Mitte 2001 (454) mehr als verdreifacht; dennoch erreicht die Windenergie nur einen Anteil am Stromverbrauch von 0,69 Prozent. Ihr Anteil am Gesamtenergieverbrauch liegt nur im Promillebereich. Die Leistungsangaben von Windkraftanlagen wird immer in "Nennleistung" angegeben, die über die tatsächliche Stromproduktion wenig aussagt. Aussagekräftiger ist hier die Tatsache, dass die in Volllaststunden gemessene Jahresenergielieferung von Windkraftanlagen in Rheinland-Pfalz mit 1.400 Stunden pro Jahr 71 Prozent geringer ist als bei Anlagen in Schleswig Holstein und noch 43 Prozent geringer ist als bei Anlagen in Mecklenburg-Vorpommern. Die rheinland-pfälzische Landesregierung spricht in ihrer vorgenannten Antwort zwar von im Jahr 2000 vermiedenen 108.000 Tonnen CO2, bezeichnet diese Mengen aber ausdrücklich als "Rein rechnerisch", also als theoretische Werte, die in der Praxis aber nicht erreicht werden. Faktisch ist die Schadstoffvermeidung gleich Null, weil Windstrom eine ausschließlich additive Funktion besitzt, also herkömmlichen Strom nur ergänzt, aber nicht ersetzt. Wenngleich der Windanteil an der Stromversorgung bundesweit höher liegt (rd. 1,8 %), führt die Einspeisung von Windstrom ins Netz nicht dazu, dass ein Kohle- oder Kernkraftwerk hätte partiell heruntergefahren oder gar abgeschaltet werden können. Nur dann hätten Ressourcen eingespart, Schadstoffemissionen tatsächlich vermieden werden können. Da Strom in einer bestimmten Menge 24 Stunden am Tag verfügbar sein muss, Windkraftanlagen wegen unsteter Windverhältnisse mal mehr, mal weniger und bei Windstille gar nichts produzieren, müssen herkömmliche Kraftwerke für eine kontinuierliche Versorgung ohne Einschränkung weiter arbeiten.

Windenergie ist daher keine Alternative zu herkömmlichen Energiequellen. Da sie aufgrund der unsteten Windlage nicht in der Lage ist eine Dauerversorgung zu gewährleisten und, wie es auch die windstromfreundliche Landesregierung von Rheinland-Pfalz ausdrücklich bestätigen muss, "Windenergieanlagen keinen Beitrag zur Leistungsabsicherung darstellen", kann Windenergie in Deutschland herkömmliche Formen der Stromproduktion nur ergänzen, aber nicht ersetzen. Windenergie wird demzufolge nie in der Lage sein, eine Kernkraftwerk entbehrlich zu machen oder auch nur ein Gramm CO2-Emission aus einem Kohlekraftwerk zu vermeiden.

Windenergie ist für die Produzenten und die Betreiber von Windkraftanlagen ein lukratives Geschäft, an dem auch zunehmend Kapitalanleger und Spekulanten kräftig mitverdienen. Aufgrund der enormen direkten und indirekten steuerlichen Förderung und der durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) garantierten Vergütung ist der Bau und Betrieb von Windkraftanlagen in Deutschland ein hoch profitables Geschäft geworden. Wer Windkraftanlagen baut, kommt in den Genuss von Sonderabschreibungen in Höhe von 8 Prozent der Gesamtinvestition pro Jahr über 12 Jahre. Banken empfehlen Beteiligungen deshalb als gewinnträchtige und sichere Kapitalanlage. Wer sein Geld in Windkraft anlegt, kommt in den Genuss einer außergewöhnlichen steuerlichen Förderung. Auf das Zeichnungskapital von mindestens 10.000,- DM wird ein steuerlicher Verlust von 100 Prozent in den ersten beiden Geschäftsjahren zugewiesen. Potentiellen Anlegern werden "gesetzlich gesicherte Einnahmen" und jährliche Ausschüttungen von bis zu 22 Prozent und Gesamtausschüttungen von 267 Prozent, also fast eine Verdreifachung des eingesetzten Kapitals versprochen. Das EEG sichert den Anlagebetreibern pro Jahr eine Vergütung von 1,015 Mrd. DM (2000). Durch eine spezielle Klausel im Gesetz wird verfügt, dass der garantierte Preis für eingespeisten Windstrom in windschwachen Regionen höher sein muss als in windstarken. Damit werden Windkraftanlagen auch an windschwachen und damit eigentlich ungeeigneten Standorten wirtschaftlich interessant.

Windenergie verschlingt Steuergeld. Von 1994 bis 1998 wurden Investitionskostenzuschüsse im Rahmen des Marktanreizprogramms des Bundesministeriums für Wirtschaft in Höhe von 6,8 Mio. DM gezahlt. 366 Mio. DM umfasste das "250 MW-Wind-Programm". An Hersteller von Windkraftanlagen und Forschungsinstitute gingen 290,05 Mio. DM. 36,48 Mio. DM flossen in Demonstrationsanlagen. Zinsverbilligte Kredite der Deutschen Ausgleichsbank entsprachen zwischen 1990 und 2000 einer Zinsersparnis von 800 Mio. DM. An Investitionszuschüssen über Förderprogramme der Bundesländer kamen rd. 400 Mio. DM zusammen. Zu errechnen wären die Steuermindereinnahmen infolge der Sonderabschreibung in Höhe von zuerst 10 Prozent der Gesamtinvestition pro Jahr über eine Dauer von 10 Jahren, ab 1999 8 Prozent über 12 Jahre, und der Ansparabschreibung nach § 7g EStG. Obwohl die Baukosten für eine Windkraftanlage in den vergangenen zehn Jahren von 4.000,- DM auf 1.500,- DM je Kilowatt Nennleistung gesunken sind, wurde der garantierte Abnahmepreis sogar noch geringfügig auf 17,8 Pfennige je Kilowattstunde angehoben. Die Kostendeckung liegt bei 10 Pfennigen. Steuerzahler und Stromkunden finanzieren demnach einzelnen Investoren und Kapitalanlegern saftige Renditen.

Windkraftanlagen verschandeln die Landschaft. Da die Betreiber auf die Wirtschaftlichkeit ihres Unternehmens nicht achten müssen, gibt es praktisch keine schlechten Standorte, ist der Bau von Windkraftanlagen somit überall denkbar. Ist eine einzelne Anlage in der Landschaft unter landschaftsästhetischer Betrachtung vielleicht noch akzeptabel, kann die in den vergangenen Jahren vorgenommene Massierung von Windkraftanlagen, die Einrichtungen der Energieindustrie sind, nicht mehr als Geschmacksfrage abgetan werden. In vielen Bereichen des Landes, haben Ansammlungen von Windtürmen bereits landschaftsprägende Funktion und dominieren die Komponenten Weinberge, Feldhügel, Buschlinien, Baumgruppen, Wiesen, Feld- und Hohlwege. Damit wird das touristische Kapital aufstrebender Regionen schwer beschädigt. Eine vom Fremdenverkehrsverband Ostbayern durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass jeder dritte Gast sich von Windkraftanlagen in seiner Urlaubsregion so gestört fühlen würde, dass er anderswo Ferien machen würde. Die touristischen Perspektiven vieler ländlicher Gebiete lassen sich schon jetzt, umso weniger bei einer weiteren Zunahme des Bestands an Windkraftanlagen, nicht mehr halten. Für weinbautreibende Regionen ist ein bestimmtes Landschaftsbild wichtiger Bestandteil der Marketingkonzeption. Während man in der Toskana oder an der Loire im Bewußtsein dieser Erkenntnis der Landschaftspflege große Bedeutung beimisst, lässt man am Rhein und in der Pfalz die Beschädigung des Landschaftsbildes durch monströse Windtürme zu. Diese Wertminderung muss auch von Kommunen, die sich Einnahmen als Einmalzahlung für Wegenutzung und Grünordnungsmaßnahmen und jährliche Ausgleichszahlungen versprechen, und für die Grundstückseigentümer, die mit nicht unerheblichen Pachteinnahmen rechnen, berücksichtigt werden.

Windkraftförderung bindet Mittel, die für sinnvolle Förderung fehlt. Die Bundesregierung und auch viele Landesregierungen messen der Windenergie unter den erneuerbaren Energien höchst Priorität bei. Bei der bis 2010 angestrebten Verdoppelung des Anteils erneuerbarer Energien an der Stromproduktion plant der Bund einen überproportionalen Ausbau der Windstromproduktion und geht dabei konkret von einer Verdreifachung des gegenwärtigen Anteils aus. Das bedeutet, dass der Förderanteil, den Windenergie beanspruchen wird, sehr viel höher liegt als der anderer regenerativer Energieformen. Da Fördermittel begrenzt sind, bleibt für zukunftsfähige und im Hinblick auf eine langfristige und umweltfreundliche Alternative zur herkömmlichen Stromproduktion vielversprechende Projekte, wie Photovoltaik, Biomasse, Methangas, Brennstoffzelle etc., entsprechend weniger an Förderung. Damit blockiert eine nicht zukunftsfähige Technik die notwendige Forschung und Entwicklung künftiger Alternativenergien wie der Brennstoffzelle, der Geothermie, der Biomasse oder der wirtschaftlichen und ökologischen Effizienzsteigerung herkömmlicher Kraftwerke. Die radikale Kürzung der Forschungsmittel für erneuerbare Energien im Bundeshaushalt 2002 um 65 Millionen DM und weitere Kürzungen in Höhe von 30 Millionen DM sind der traurige Beweis für die Richtigkeit dieser These.

Der Bund der Steuerzahler betrachtet die staatliche Förderung von Windkraftanlagen als überzogen und hat schon 1996 die über die im Stromeinspeisungsgesetz enthaltene Subventionierung hinausgehende Förderung für entbehrlich gehalten. Der Wettbewerbskommissar der EU Mario Monti hat jüngst seine Bedenken gegenüber der Rechtmäßigkeit der Förderung nach dem deutschen EEG geäußert und damit an die bereits von seinem Amtsvorgänger verlangte Rückführung der Subventionen für Windenergie angeknüpft. Der Kreistag des Landkreises Alzey-Worms hat im Raumordnungsplan die Vorrangflächen für Windkraft auf die bestehende Bebauung begrenzt. Der Landrat des Vogelsbergkreises hat den Bau weiterer Anlagen völlig gestoppt.

Als die Diskussion sich noch um die Beeinträchtigung des Vogelflugs, um Schlagschatten und Eisabwurf drehte, hatten die, die mit Windkraft ihre legitimen wirtschaftlichen Interessen verfolgen, noch gute Karten. Inzwischen aber wird der Gegenwind für die Windkraft stärker.