Bürgerinitiative Rheinhessen-Pfalz
Zwischen Rhein und Donnersberg

Herrn Ministerpräsident
Kurt Beck Staatskanzlei
Peter-Altmeier-Allee 1
55116 Mainz   

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

sehr geehrte Frau Wilfling,

Ihre Stellungnahme vom 22. März 2002 trägt in keiner Weise den in unserem Schreiben vom 10. Dezember letzten Jahres angesprochenen Kritikpunkten und Fragen Rechnung. Vielmehr werden die Sachverhalte verdreht dargestellt. Wir haben niemals das von der SGD Süd durchgeführte Raumordnungsverfahren, sondern die rechtswidrige Einmischung von Ministerien in ein behördliches Verfahren beanstandet. Mit dem Ziel, Ihnen die Rechtswidrigkeit der Vorgänge zu verdeutlichen, schildern wir Ihnen den Fall erneut:

Die SGD Süd kam bei der ordnungsgemäßen Durchführung des Verfahrens und Prüfung der raumordnerisch relevanten Belange sowie deren Gewicht im gesamten Zusammenhang zu dem Ergebnis, daß die bereits bestehende Auslastung des Raumes weitere Anlagen nicht zulässt. "Durch die Erweiterung des bestehenden Windparks wäre zwar ein zusätzlicher Eingriff an anderer Stelle vermeidbar, so dass das Vorhaben dem Ziel der raumordnerischen Konzentration von Anlagen entspräche. Andererseits kann dieses Argument nicht beliebig fortgeführt werden, wenn die Belastung eines Raumes selbst an seine Grenzen stößt. [...] "Auch die Konzentration auf die bereits mehrfach erwähnten Themenbereiche Vogelschutz, Landschaftsbild und Tourismus spricht nicht gegen die Einwendungen, sondern untermauert die Belastung des Raumes bzw. dessen Auslastung im Hinblick auf weitere geplante Anlagen". (Raumordnerische Entscheidung, AZ.: 41/437/-362). Bei dem Abwägungsprozess von Bedeutung war vor allem auch die große Zahl ablehnender Stellungnahmen von Personen, die von dem Vorhaben erheblich beeinträchtigt würden, sowie von betroffenen Gemeinden und Verbandsgemeinden.

Neben überwiegenden öffentlichen Belangen und Interessen führten auch schwerwiegende naturschutzfachliche Gründe zu der Feststellung einer Unvereinbarkeit des Vorhabens mit der avifaunistischen Bedeutung des Raumes.

Als sich für die Firma juwi abzeichnete, daß ihre ursprüngliche Planung keine Aussicht auf Genehmigung haben würde, reduzierte sie die Anzahl der vorgesehenen Anlagen. Auf ihr Betreiben haben daraufhin Ministerien - im absoluten Widerspruch zu ihren eigenen Anweisungen (vgl. u. a. Hinweise zur Beurteilung der Zulässigkeit von Windenergieanlagen vom 18. Februar 1999, FM 3275-4531), nach denen Windrotoren in Vogelschutzgebieten nicht in Betracht kommen (vgl. auch Vogelschutzrichtlinie, Bundesnaturschutzgesetz)rechtswidrig in das Verfahren eingegriffen und "im Hinblick auf eine reduzierte Anzahl von acht Anlagen signalisiert, dass diese ohne erhebliche zusätzliche Belastung tolerierbar seien". 

Mit welcher Nachdrücklichkeit und Hartnäckigkeit vor allem das MUF seine rechtswidrige Einmischung betrieb, hat die Raumordnungsbehörde in ihren Ausführungen zu der raumordnerischen Entscheidung (AZ.: 41/437/-362, S. 12 u. 13).) gewissenhaft dokumentiert. Vor allem die Feststellung: "... nachdem die Oberste Landespflegebehörde im Ministerium für Umwelt und Forsten die ablehnende Stellungnahme der ihr nachgeordneten Oberen Landespflegebehörde entsprechend revidiert habe."

Unstrittig nach der Rechtslage betont die SGD Südin Übereinstimmung mit den Fachbehörden und den Naturschutzverbänden, daß "Vogelschutzgebiete als Standorte für Windenergieanlagen nicht in Betracht kommen".

Im übrigen wird die "Neubewertung" durch die Oberste Landespflegebehörde auf die sich, die nachgeordnete Obere Landespflegebehörde als vorgegebene Anweisung beruft, nur allgemein genannt. Die rechtlich geforderte Nachvollziehbarkeit der einzelnen Prüfungsschritte, die zu dieser Neubewertung führten, ist damit nicht gegeben. Ganz offensichtlich sind solche Schritte überhaupt nicht erfolgt. Der schwammige Begriff "tolerierbar" sagt alles! Schon das Wort "signalisiert" als Bezeichnung der Art, wie die Anweisung durch das MUF an die SGD Süd erfolgte, 'signalisiert' das rechtlich fragwürdige Vorgehen des MUF.

Des weiteren ist die von Ihnen dargestellte Sichtweise der beiden Ministerien (Umweltministerium und Innenministerium), wonach weder EU- noch nationales Recht verletzt worden sei, falsch!

Die von Ihnen zitierte Aussage der obersten Raumordnungsbehörde (= Innenministerium), der Artikel 4 Abs. 4 wirke sich nicht als striktes Planungsverbot aus, sondern vielmehr sei eine "besondere Verträglichkeitsprüfung" anzustellen, ist ebenfalls falsch!

Wir regen an, sowohl die Staatskanzlei als auch die fraglichen Ministerien mögen sich pflichtgemäß und gründlich mit Artikel 4 Abs. 4 der EU-VRL und der Rechtsprechung des EUGH befassen, mit der Konsequenz den Forderungen der europäischen Vogelschutzrichtlinie bzw. FFH-Richtlinie sowie der Rechtsprechung des EuGH (Basses Cobières-Urteil, C-371/98 vom 7.12.2000 und das Santoña-Urteil vom 2. August 1993) unverzüglich nachzukommen. Ggf. ist das Justizministerium hinzuzuziehen und eine Stellungnahme beim EUGH einzuholen.

Der Rechtsprechung des EUGH zufolge unterliegt ein für den europäischen Vogelschutz bedeutsames Gebiet ohne jedes Auswahlermessen unmittelbar den strengen Schutzbestimmungen des Art. 4 Abs. 4 der Vogelschutz-RL. "Insofern bewirkt dieser Artikel ein grundsätzlichesÜberplanungsverbot in der Form, daß in faktischen Vogelschutzgebieten Pläne und Projekte nur zulässig sind, soweit sie unmittelbar der Gesundheit oder Sicherheit des Menschen dienen." (Siehe EuGH-Urteile). Solche Erfordernisse sind jedoch in dem vorliegenden Fall nicht erkennbar (vielmehr trifft das Gegenteil zu!). Da aus wirtschaftlichen Gründen "Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung und Europäische Vogelschutzgebiete" nicht beeinträchtigt werden dürfen, gilt dies ebenso für reduzierte wirtschaftliche Interessen wie die Verminderung der Anlagenzahl. In beiden Fällen ist jedoch eine Vertragsverletzung eingetreten.

Aus dem Gemeinschaftsrecht folgt auch das Verbot, die Ziele der Richtlinie zu unterlaufen und vollendete Tatsachen zu schaffen, die geeignet sind, die Erfüllung der vertraglichen Pflichten unmöglich zu machen. (Siehe EUGH- Urteile und BVerwG Urteil vom 19. Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1).

Ministerien und die Landesregierung provozieren mutwillig eine Verurteilung durch den EUGH. Die daraus resultierende sehr hohe Geldstrafe wird letztendlich der Steuerzahler finanzieren müssen. Zu der nachhaltigen Schädigung bzw. Zerstörung intakter Lebensräume käme eine nachhaltige Schädigung unserer Volkswirtschaft hinzu. Hat man das unter der stets beschworenen Nachhaltigkeits-Politik der Landesregierung zu verstehen?

Wir halten fest:
Rheinland-pfälzische Ministerien forderten die SGD Süd zur Rechtsverletzung auf. Im Widerspruch zu ihren Erkenntnissen war die SGD Süd vom Umweltministerium und Innenministerium – zu Unrecht! – angewiesen, den Entscheid zugunsten der wirtschaftlichen Eigeninteressen der Windfirma juwi in dem Sinne zu formulieren, daß weitere 8 Windrotor-Anlagen in einem faktischen EU-Vogelschutzgebiet  "tolerierbar" seien.

Eine solche Weisung von Ministerien an nachgeordnete Behörden, im vorliegenden Fall die SGD Süd, hatte im Verfahren die gleiche Wirkung wie eine eigene Sachentscheidung der Ministerien. Doch dieses Recht beinhaltet  die Befugnis der Ministerien nicht!

?       Wir stellen erneut die Frage, woher die fraglichen Ministerien das Recht herleiteten, auf Betreiben eines privaten Geschäftmannes Einfluß auf den Verlauf eines öffentlichen, behördlichen Verfahrens zu nehmen und damit geschäftliche Interessen einzelner über EU-Recht, Gemeinwohl und Bürgerwillen zu stellen?

Wenn - wie im raumordnerischen Entscheid unmissverständlich ausgeführt - die Belastung bzw. Auslastung des Raumes durch die (illegal in einem Vogelschutzgebiet) schon vorhandenen Windrotoren (Windpark) an ihre Grenzen stößt, und andererseits aus eben diesem Grund das Argument der "Vorbelastung" nicht beliebig fortgeführt werden kann, ist eine zusätzliche Belastung durch weitere acht Anlagen keinesfalls gerechtfertigt oder tolerierbar, auch dann nicht, wenn es die rechtswidrige Einmischung eines Ministeriums fordert, und schon gar nicht, wenn es diese Forderung ohne Angabe von Sachverhalten vertritt, die sie rechtfertigen könnten. Unabhängig davon stehen dem nun in "verringerter Anzahl" geplanten Vorhaben nach wie vor die von den verschiedensten Seiten erhobenen Bedenken entgegen.

Im Dezember letzten Jahres wandten wir uns an den Präsidenten der SGD Süd, Herrn Dr. Weichel, als den Chef der für das Verfahren zuständigen Behörde. Von uns zu den Widersprüchen befragt, wollte oder konnte er diese anhand einer plausiblen Begründung nicht ausräumen. Um unser "Verständnis" bittend, teilte uns Herr Dr. Weichel mit, daß er unser Schreiben mit der Bitte um Antwort an die zuständigen Ministerien weitergeleitet habe. Eine Antwort von diesen Ministerien haben wir bis dato nicht erhalten.

      Daher bitten wir Sie, uns anhand einer plausiblen, rechtlich fundierten Begründung darzulegen, inwiefern achtweitere Rotor-Anlagen in einem EU-Vogelschutzgebiet tolerierbar bzw. gerechtfertigt sein sollen.

      Welche juristische Grundlage rechtfertigt die zusätzliche Belastung des fraglichen Raumes durch weitere Windrotoranlagen und macht die von den verschiedensten Seiten erhobenen Bedenken hinfällig?

In Ihrem Schreiben vom 22.03.02, Frau Wilfling, erwähnen Sie, eine Tolerierbarkeit weniger zusätzlicher Anlagen für den Bereich nördlich der Holzstraße, der angeblich bejaht werde. Was dem Skandal die Krone aufsetzt, ist daß in rechtswidriger Weiterfolgung ihres Vorhabens die Windfirma juwi inzwischen eine "Ausweitung" der in dem Raumordnungsbescheid vorgegebenen südlichen Grenze (Holzstraße) in südliche Richtung anstrebt. Das Verhalten zeigt, mit welcher Rücksichtslosigkeit sich die Firma in Verfolgung ihrer Profitinteressen über alle anderen Belange hinwegsetzt. Nachdem man in dem Raumordnungsverfahren unserer Auffassung nach über die Grenzen des Tolerierbaren hinaus der Firma entgegen kam, versucht sie trotzdem die möglichst weitgehende Realisierung ihres ursprünglichen Ansinnens durchzusetzen. Dabei wird der Versuch der widerrechtlichen Durchsetzung des Vorhabens, das ausschließlich dem finanziellen Eigeninteresse der Windfirma juwi dient, sogar noch unterstützt von VG Bürgermeister Görisch. Dem Willen dieser rein profitorientierten Windfirma folgend, erreichte er bei dem Haupt-, Finanz- und Personalausschuss der VG Alzey-Land am 18.02.02 den Beschluss, eine landesplanerische Stellungnahme anzufordern. Somit verfolgt dieser VG-Ratsbeschluß eine weitere Rechtsverletzung, indem mittels landesplanerischer Stellungnahme, die Beschränkungen, die der aufgrund der ministerialen Einmischungen für sich schon fragwürdige Raumordnungsentscheid setzt (siehe oben), annulliert werden sollen, damit juwi weitere Windrotoren in das faktische EU-Vogelschutzgebiet bei Ober-Flörsheim und auf die Linie der zuvor von dem VG-Rat beanstandeten Nähe zur Ortsbebauung stellen kann. Insofern konterkariert dieser Beschluß auch zuvor gefasste Beschlüsse des VG-Rates; u. a. auch denjenigen vom Dezember 1999, in dem der Rat beschloß, künftig keine weiteren Flächen für Windrotoren im Gebiet der VG Alzey-Land zuzulassen.

Zurecht beklagte Wilhelm Nies, erster Beigeordneter der Ortsgemeinde Ober-Flörsheim,  am 19.03.2002 im Rahmen der „frühzeitigen Bürgerbeteiligung“ öffentlich und deutlich den Verlust der im Grundgesetz festgeschriebenen Planungshoheit der Gemeinde. Er legte dar, wie der Gemeinde Ober-Flörsheim jegliche Planungshoheit genommen wurde. Unterstützt von der VG schaffe juwi mit Grundstückskäufen und fertigen Plänen vollendete Tatsachen und dränge die Gemeinde zur Zustimmung. Mit Geldversprechungen versucht juwi offensichtlich, das Verfahren zu beschleunigen: Wilhelm Nies erklärte vor ca. 50 Personen, daß juwi mittlerweile für 5 Windräder die gleiche Summe zu zahlen bereit sei wie vor einem Jahr für 15!

In Hinblick auf die "guten Sitten" der Windfirmen und deren "Geschäftspraktiken" erscheint der zum "politischen Willen" erhobene Windradausbau in unserem Land in einem wenig schmeichelhaften Licht: zumal im Umfeld des Windradwildwuchses ein Klima entstanden ist, in dem Korruption und Rechtswidrigkeiten prächtig gedeihen. - Gerade weil keine Gemeinde eine besondere Pflicht zur Förderung der Windenergienutzung hat (Rechtsprechung VG Mainz, OVG Münster) und keinesfalls der Gewinnoptimierung einer Firma verpflichtet sein kann, entbehrt der skrupellose Ausverkauf unserer Heimat jeder rechtlichen Grundlage. Die Bevölkerung fühlt sich von den von ihr gewählten "Volksvertretern" verraten und verkauft. (Siehe Anlage unser Statement zur Anhörung)

In Erwartung Ihres zeitnahen Antwortschreibens verbleiben wir
mit freundlichen Grüßen
Ihre BI Rheinhessen-Pfalz 
Zwischen Rhein und Donnersberg