Fünfeinhalb Stunden im Namen der Zweifler
 
HERREN-SULZBACH: Informationsabend über geplante Windkraftanlagen ruft Gegner auf den Plan
 
In einer Veranstaltung am Donnerstag Abend im Bürgerhaus von Herren-Sulzbach trafen Windkraftanlagenbetreiber, Bürger aus Nachbargemeinden und Gutachter aufeinander. Im - dem Anschein nach - überwiegend mit Gegnern voll besetzten Haus blieb die zu erwartende kontroverse Debatte nicht aus, die aber längst nicht immer sachlich verlief.
 
Es war die Absicht der JuWi GmbH Mainz, über ihre Windanlagenpläne auf dem Gebiet der Gemeinde Herren-Sulzbach zu berichten. Fünf Anlagen möchte das Unternehmen dort errichten. Der Gemeinderat hat es in der Hand, über einen Bebauungsplan abzustimmen und damit auf die einzelnen Standorte Einfluss zu nehmen oder das Projekt abzulehnen. Doch zwischen den Erläuterungen des JuWi-Planers Dr. Ingo Ewald kochte die Erregung der Gegner immer wieder hoch.
Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Lauterecken, Hans Habermann, der zu Anfang in die Thematik einführte, über die Nachhaltigkeit des Wirtschaftens, Ressourcenschonung, baurechtliche Grundlagen und Bedenken gegen die Windkrafttechnik sprach, handelte sich im Verlauf des Abends von einer Zuhörerin den Vorwurf der Parteilichkeit ein. Er habe die Interessen der Bürger zu vertreten, davon aber spüre sie nichts.
Die Kritiker bezweifelten grundsätzlich die Korrektheit der vorgelegten Gutachten, ob es um Vogelschutz, Schall oder Schattenwurf ging. Von Gefälligkeitsgutachten und "Schlechtachten" war die Rede. So hatte eine Expertise Reichweite und Dauer von Schattenschlag durch drehende Rotoren nach mehreren Richtungen untersucht, beispielsweise nach Grumbach und zum Deimberger Höfchen, nicht aber in Richtung Schönborner Hof - in den Augen der Gegner eine bewusste Unterlassung, obwohl JuWi-Planer Dr. Ingo Ewald Nachbesserung anbot.
Insbesondere der Grumbacher Ortsbürgermeister Werner Kreischer hegte ärgste Befürchtungen, dass seine Bürger vom Schatten der Rotoren getroffen würden. Der Einbau sogenannter Schattensensoren, die eine Anlage vorübergehend stoppen, vermochte die Kritiker nicht milde zu stimmen, ebenso wenig das Angebot zu Besichtigungen vor Ort, um sich eine eigene Meinung bilden zu können.
Bestritten wurde auch die Aussage des Vogelgutachtens, nach der durch die geplanten Windanlagen keine gravierenden Auswirkungen auf die Vogelwelt zu befürchten sind. Zuhörer wollen hingegen einen Rastplatz für Wildgänse entdeckt haben, von dem im Gutachten keine Rede war. Auch hier wurde Nachbesserung angeboten.
Fehl schlug der Versuch eines Kritikers, den Gutachtern Unseriosität vorzuwerfen, weil sie systematisch Vogelschutzprobleme verneinten und behaupteten, alle Naturschutzverbände seien sich hierin grundsätzlich einig. Ein aktuelles Gutachten des Naturschutzbundes zur Situation in Otterberg hingegen zeige, dass die dortige Situation völlig neu bewertet worden sei. Die Kritik an einem Gefälligkeitsgutachten wies Ewald indes zurück, indem er darauf aufmerksam machte, dass für die Herren-Sulzbacher wie auch für die neue Otterberger Expertise derselbe Experte verantwortlich sei. Zwei Standorte mit unterschiedlicher Bewertung durch denselben Fachmann - wer wolle da von einseitiger Beurteilung reden? fragte Ewald.
Von einem Verlust des Wohnwertes und einer wertmäßigen Beeinträchtigung der Immobilien durch Geräuschentwicklung sprach wiederum Grumbachs Ortsbürgermeister Werner Kreischer, obwohl der Schallgutachter belegte, dass alle gesetzlichen Richtwerte für Wohngebiete nicht erreicht werden.
Erheblicher Schaden für den Fremdenverkehr lautete ein weiteres Argument gegen die Errichtung von Windrädern. Dass jede Anlage einen Eingriff in die Natur bedeute und das Landschaftsbild verändere, verhehlte Ewald nicht. Dass der Tourismus allerdings nicht zwangsläufig negativ betroffen sein muss, versuchte Ewald mit steigenden Übernachtungszahlen im Donnersbergkreis zu erklären, wofür er Gelächter erntete.
Bezweifelt wurde ebenfalls, dass alle Anlagen nach der Nutzungsdauer wieder abgebaut werden. Den von Ewald genannten 50.000 Mark Entsorgungskosten für das Stahlbetonfundament (von JuWi eingeholte Angebote) hielten die Kritiker ein Beispiel aus Nordrhein-Westfalen entgegen, wo die Beseitigung zweier Anlagen 700.000 Mark verschlungen habe - ein, wie sich herausstellte, untaugliches Beispiel. Es habe sich dort um zwei Anlagen gehandelt, die aus rechtlichen Gründen hätten abgebaut werden müssen. Dann sei ein Transport an einen anderen Standort erfolgt, an dem sie wieder aufgebaut worden seien. Abbau, Transport und Wiederaufbau hätten diese Kosten verursacht, wusste Ewald.
"Ein paar Leute machen sich auf unsere Kosten den Sack voll", polterte ein Zuhörer empört, worauf Ewald über den finanziellen Hintergrund aufklärte. Nutzen habe längst nicht nur JuWi, vielmehr kämen die Gemeinde, Grundstückseigentümer und private Investoren in den Genuss nicht unerheblicher Zahlungen.
Nicht zuletzt zogen die Kritiker die vorgelegten Bildsimulationen in Zweifel. Damit wollte JuWi zeigen, wie sich die Landschaft nach dem Bau der Anlagen darstellt. Den Zuschauern erschien die Projektion als zu klein. Grumbachs Ortsbürgermeister sprach in diesem Zusammenhang von einer "Methode", mit der Probleme unter den Tisch gekehrt werden sollen. Die potenziellen Betreiber spielten mit "gezinkten" Karten.
Nach fünfeinhalb Stunden schloss Bürgermeister Habermann die Versammlung. Kommentar
Von unserem Redakteur: Dietmar Fligg
RON - RHEINPFALZ ONLINE, Samstag, 30. Jun , 03:45 Uhr
Kommentar: Halbe Wahrheit
 
Von Dietmar Fligg - Es gibt zurzeit wohl kein vergleichbares Thema im Landkreis, das die Gemüter so erregt, wie der Bau von Windkraftanlagen. Der Abend in Herren-Sulzbach hat deutlich werden lassen, wie unversöhnlich sich Meinungen gegenüber stehen können und wie unverrückbar Standpunkte sind.
 
Am Ende war dieser Abend ein verlorener.

Berufene Landschaftsschützer scheuten keine Entfernung, um Unheil von den Einheimischen abzuwenden. Auch am Donnerstag bestimmten sie die Diskussion mit. Die Fronten waren abgesteckt. Zwei von JuWi in Auftrag gegebene Gutachten zeigten sogleich Schwächen, weil sie offensichtlich diverse Effekte nicht berücksichtigten. Dies ist zwar kein Mangel, der nicht noch geheilt werden könnte - dennoch ein gefundenes Fessen für die Gegnerschaft.
Die Überzahl der Kritiker dominierte die Veranstaltung mit dem Ziel, Windkraftbetreiber als windige Geschäftemacher zu entlarven. Das ist ihr gutes Recht. Der Beweis für diese Behauptung bleibt indes geschuldet. Es mag durchaus Gründe geben, die gegen Windenergie sprechen, nicht fundierte Pauschalangriffe stellen allerdings ein untaugliches Mittel in der Diskussion dar.
Und wenn beispielsweise mit Halbwahrheiten über angeblich immense Abbaukosten von Windanlagen jongliert wird, müssen sich manche Gegner fragen lassen, welchen Anspruch sie an die eigene Seriosität stellen.

RON - RHEINPFALZ ONLINE, Samstag, 30. Jun , 03:45 Uhr