FAZ, 12.10.2000  

Der grüne Ritterschlag
Warum erhält ein Hersteller von Windkraftanlagen den Deutschen Umweltpreis?
Subventionierte Symbolik Von Reiner Burger  

FRANKFURT, 11. Oktorber. An diesem Sonntag wird der vielleicht renommierteste, gewiß aber der höchstdotierte Umweltpreis Europas von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt wie jedes Jahr seit 1993 vergeben. Einer von zwei Preisträgern ist der alleinige Geschäftsführer des Windkraftanlagenherstellers Enercon, Aloys Wobben. Aus der Hand von Bundespräsident Rau soll er in Potsdam 500.000 Mark Preisgeld erhalten - für eine Energiegewinnungstechnik, die auch unter Umwelt- und Naturschützern höchst umstritten ist.

Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt wurde 1989 von der Bundesregierung gegründet. Auf Vorschlag von Bundesfinanzminister Waigel wurden die Erlöse aus dem Verkauf der bundeseigenen Salzgitter AG - mehr als 2,5 Milliarden Mark - als Stiftungskapital verwendet. Die Zinserträge daraus sollen der "Umwelttechnik, Umweltforschung und -vorsorge, Umweltkommunikation sowie Umwelt- und Kulturgütern" zugute kommen, heißt es im Gründungsgesetz der Stiftung. Nach eigenen Angaben hat die Bundesstiftung Umwelt seit ihrer Gründung mehr als 3500 Projekte vor allem kleiner und mittlerer Unternehmen mit einem Fördervolumen von 1,4 Milliarden Mark unterstützt. Darüber hinaus soll die Stiftung jedes Jahr den Deutschen Umweltpreis vergeben. Er soll für Leistungen verliehen werden, "die entscheidend und in vorbildlicher Weise zum Schutz und zur Erhaltung unserer Umwelt beigetragen haben bzw. in Zukunft zu einer deutlichen Umweltentlastung beitragen werden". Die prämierten Projekte sollen zur Nachahmung anregen.

In diesem Jahr hielt das Kuratorium der Bundesstiftung - dem Vernehmen nach ohne kontroverse Diskussion - den Windkraftanlagenhersteller Wobben für preiswürdig. Kann er den hohen Anforderungen der Bundesstiftung entsprechen? Tragen Windparks zum "Schutz und zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit unserer Umwelt" bei? Windkraftwerke sind grundsätzlich ein gravierender Eingriff in die Landschaft. An den deutschen Küsten dominieren die Anlagen schon ganze Landstriche. Gegenwärtig sind in Deutschland etwa 8400 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 1400 Megawatt installiert. Ihr Anteil an der Stromerzeugung beträgt zwei Prozent. Die Lobbyorganisation der Branche, der Bundesverband Windenergie (BWE), glaubt, daß in nicht allzu ferner Zeit dreißig Prozent erreicht werden. Das hätte eine zusätzliche enorme Verbauung von Landschaft zur Folge. Um ein herkömmliches Wärmekraftwerk mit einer Leistung von 1200 Megawatt zu ersetzen - also den Anteil der Windenergie noch nicht einmal zu verdoppeln - würde eine Fläche von 8000 Hektar gebraucht. Das ist mehr als die Fläche von Bremerhaven. In Deutschland existiert zudem unmittelbar kein zusätzlicher Bedarf an Kraftwerkskapazitäten. Dieser Tage hat die deutsche Stromwirtschaft die vorzeitige Abschaltung von Kraftwerken bekanntgegeben, da ein Überschuß von etwa 10.000 Megawatt Kraftwerkleistung besteht.

Umweltschutzverbände sehen sich in der Zwickmühle, da sie einerseits den Einsatz regenerativer Energien seit Jahren schon fordern. Andererseits gehen auch sie davon aus, daß Vögel durch die Windkonverter getötet oder in ihrem Zugverhalten schwer gestört werden und das gerade an den Küsten ohnehin fragile Ökosystem aus dem Gleichgewicht gerät. Befürchtet werden zudem schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen in der Umgebung solcher Anlagen.

Auch ob die Windkraft, wie in den Regularien der Bundesstiftung Umwelt als Voraussetzung für die Preiswürdigkeit eines Projekts gefordert, zu einer "deutlichen" Umweltentlastung führt, ist fraglich. Windkraftwerke können herkömmliche Kraftwerke nicht ersetzen, da Windverhältnisse sehr wechselhaft sind und die Nennleistung der Anlagen nicht konstant zur Verfügung steht. Daraus wiederum folgt, daß sie lediglich in nicht nennenswerter Weise zur Reduzierung des Ausstoßes von Kohlendioxyd beitragen. Vor diesem Hintergrund kann man Windkraft als Element symbolischer Politik deuten, Windräder als weithin sichtbare Fanale einer vorgegaukelten Energiewende.

Beeindruckend ist die Auflistung der bisher von der Bundesstiftung mit dem Umweltpreis Ausgezeichneten. Im vergangenen Jahr war beispielsweise der Bioniker Wilhelm Barthlott von der Universität Bonn für die Erforschung des "Lotus-Effekts" einer der Preisträger. Barthlott entdeckte, daß sich Blätter verschiedener Pflanzen aufgrund ihrer Oberflächenstruktur selbst reinigen können. Auf Farben, Ziegel oder andere Materialien übertragen, entlastet der Effekt die Umwelt, weil auf eine Säuberung mit Wasser und anderen Mitteln verzichtet werden kann. Der Unternehmer Klaus Steilmann erhielt ebenfalls im vergangenen Jahr den Preis, weil er sich erfolgreich dafür eingesetzt hatte, giftige Farbstoffe aus der Textilproduktion zu verbannen. 1998 wurde die Arbeitsgruppe Klimaforschung am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg ausgezeichnet. Mit ihrem Klimamodell können natürliche Klimaschwankungen wie beispielsweise das El-Nino-Phänomen erklärt und vorhergesagt werden. 1994 erhielten unter anderen der spätere Nobelpreisträger Paul J. Crutzen und Frank Arnold den Deutschen Umweltpreis, weil sie an der Erforschung des Ozonlochs maßgeblich beteiligt waren. Für seine Entwicklung des Öko-Kühlschranks - erstmals konnte vollständig auf die umweltschädlichen Verbindungen FCKW und FKW verzichtet werden - wurde das Unternehmen Foron Hausgeräte aus Sachsen 1993 ausgezeichnet.

Mit Blick auf die Galerie der bisherigen Preisträger erscheint die Auszeichnung des Windmaschinen-Herstellers Wobben in diesem Jahr zumindest fragwürdig. Die Bundesstiftung Umwelt begründet die Verleihung des Preises an Wobben damit, daß er sein Unternehmen Mitte der achtziger Jahre zu einer Zeit gegrünedet habe, zu der nicht nur die Technik der Windenergie völlig unausgereift gewesen sei, sondern auch noch nicht einmal der Markt für Windenergie funktioniert habe. Wobben habe jedoch das Entwicklungspotential der Technik "visionär vorausgesehen". Unerwähnt bleibt, daß Wobbens Erfolgt am Subventionstropf hängt. Die an sich kaum marktfähige Windbranche boomt vor allem deshalb, weil den Betreibern der Turbinen seit Jahren schon ein hohes Entgelt für jede ins Netz gelieferte Kilowattstunde garantiert wird. Erst jüngst wurde es von der rot-grünen Bundesregierung sogar noch erhöht. Das am 1. April dieses Jahre in Kraft getretene "Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien" schreibt für die Stromerzeugung aus Windenergie eine Vergütung von 17,8 Pfennig pro Kilowattstunde vor. Nach einer Frist, die von der Windstärke des einzelnen Standorts abhängt, sinkt sie auch 12,1 Pfennig.

Es drängt sich der Verdacht auf, daß Marktführer Wobben stellvertretend für eine Branche, die nichts Wesentliches zu einer notwendigen Neuausrichtung der Energiepolitik beiträgt, von der Hand des Bundespräsidenten den grünen Ritterschlag erhalten soll. Zu diesem Eindruck trägt auch bei, daß Wobben vom Kuratoriumsmitglied Heinrich Aller vorgeschlagen wurde. Der Kreis schließt sich: Aller ist Finanzminister jenes Landes Niedersachsen, in dem die Energieerzeugung aus Wind de facto zum Staatsziel erklärt ist. Damit aber ist der renommierte Umweltpreis in diesem Jahr zur Hälfte instrumentalisiert von Politikern, die wider die Fakten dekretieren, welche Form der Energieerzeugung "gut" ist.