Westfalenpost vom 1. November 2001
Bürger werden früher an Windkraft-Planung beteiligt
Bauminister Vesper Ändert Windkraft-Erlass
Kritik an SPD-Beschluss zu Solar-Programm

Düsseldorf. (goe) Nach Protesten von Anwohnern und Naturschützern will NRW-Bauminister Vesper (Grüne) den Windkraft-Erlass entschÄrfen. Künftig soll jedes Windrad mit mindestens 100 Metern Höhe als Eingriff in die Natur bewertet werden und die Betreiber zu Ausgleichszahlungen in Form von Bargeld oder Naturschutzmaßnahmen verpflichten. Außerdem sollen Bürger früher an der Planung beteiligt werden. Nach einem Gespräch mit Bürgerinitiativen, Bürgermeistern und Umweltverbänden sprach sich Vesper für einen "Akzeptanz-Pakt" der Windkraftgegner und -befürworter aus.
Das von der SPD-Fraktion beschlossene Auslaufen des REN-Programms zur Förderung von Solardächern und Bio-Energieanlagen attakierte Vesper als "unseriös".

Rheinische Post vom 1. November 2001 (Politische Umschau)
Wirbel um Windkraft

Schon 2010 Windanlagen erzeugen in NRW Strom.
Grünen-Minister Vesper macht sich für den weiteren Ausbau stark und warnt die
Opposition vor Maschinenstürmerei.

Von DETLEV HÜWEL

MÜNSTER/DÜSSELDORF. Jürgen Trittin kam gerne nach Westfalen, galt es doch, Europas größten Binnenwindpark zu eröffnen. Auf dem "Sintfeld", einer Hochebene zwischen Marsberg und Bad Wünnenberg bei Paderborn, sollen 65 Windkraftanlagen 105 Megawatt (MW) Strom im Jahr erzeugen - genug, um 70 000 Haushalte zu versorgen. "Das Sintfeld zeigt, dass die Energiewende Wirklichkeit ist", frohlockte der grüne Bundesumweltminister Ende August. Also alles eitel Sonnenschein mit der Energie aus Wind?

Pustekuchen. Der Bundesverband Landschaftsschutz (BLS) läuft Sturm gegen die Anlagen. Sie seien "ökologisch vollkommen sinnlos", da sie wegen der unkalkulierbaren Windverhältnisse nicht für den Grundlastbereich taugten, so BLS-Geschäftsführer Dieter Krämer zu unserer Zeitung. Er hat einen prominenten Mitstreiter: FDP-Landeschef Möllemann aus Münster, dem die zunehmende "Verschandelung der Landschaft" ein Dorn im Auge ist. Tatsächlich schießen im Münsterland die Windtürme wie Pilze aus dem Boden. 350 Anlagen gibt es dort bereits; für weitere 600 liegen nach Auskunft der Bezirksregierung Anträge vor.

Für Reiner Priggen, Energieexperte der Grünen, ist die Windkraft eine "wunderbare Erfolgsgeschichte", die durch das in diesem Jahr in Kraft getretene EEG, das "Erneuerbare Energien-Gesetz", noch gekrönt worden sei. Laut EEG müssen die Netzbetreiber Wind-Strom für 17,8 Pfennig pro Kilowattstunde abnehmen. "Eine Lizenz zum Gelddrucken", wettert die FDP.

Herkömmliche Stromerzeugung koste höchstens fünf Pfennig. Leidtragende der Windkraft-Subventionierung seien die Verbraucher, denen das Geld aus der Tasche gezogen werde. Auch der Münsteraner CDU-Chef Ruprecht Polenz hat schwere Bedenken. Ähnlich wie bei der Kohle werde ein Energiezweig hoch subventioniert: "Wenn das so weitergeht, wird ein neues Steinkohle-Problem erzeugt." Im Kreis Borken fühlen sich die Bürger nach Einschätzung des CDU-Landtagsabgeordneten Heinrich Kruse "von den Anlagen empfindlich gestört". Die Stimmung sei so aufgeladen, dass sich der zuständige NRW-Bauminister Vesper (Grüne) "im Münsterland besser nicht blicken lassen sollte".

Zum Schutz der Bürger vor Lärm, Lichtreflexen und Schattenwurf fordert die NRW-CDU für Windanlagen einen Abstand von mindestens 600 Metern zur Wohnbebauung. Doch von Mindestabstand war gestern keine Rede, als Vesper in Düsseldorf um breite Akzeptanz für den Ausbau der Windkraft warb ("Ich bin für Kompromisse, aber gegen Maschinenstürmerei."). Zwischen SPD und Grünen herrschen in der Abstands-Frage offenbar unterschiedliche Vorstellungen, wie der Vorsitzende des Umweltausschusses im Landtag, Klaus Strehl (SPD), zu erkennen gibt. Der FDP-Politiker Gerhard Papke kritisiert derweil, dass die Landesregierung in der von Vesper angekündigten Novelle des Windkraft-Erlasses keine Höhenbegrenzung vorsehe. Damit, so Papke, werde in die Verschandelung der Landschaft mit bis zu 170 hohen Anlagen ungebremst fortgesetzt.

In NRW sind laut Vesper fast 2010 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 650 MW in Betrieb. Das entspricht rund einem Prozent des in NRW benötigten Stroms beziehungsweise - zur Freude auch des Bundesumweltministers - etwa zwei Dritteln der Leistung eines Atomkraftwerks. Auf dem Sintfeld zeigte sich Trittin im Sommer aber noch aus einem anderen Grund entzückt: "Im Vergleich zu Strommasten finde ich die Windräder unbeschreiblich hübsch."