Projekt mit Fallstricken:

„Vermögensrechtsergänzungsgesetz“ ermöglicht jetzt kostenfreie Übergabe früher volkseigener Naturschutzflächen an Stiftungen – später Zukauf weiterer Naturschutzflächen möglich. - Der Haken: „Alteigentümer“ und Beansprucher von sog. „Bauernwald“ haben Vorrechte vor Naturschutz. - Blaublütige bremsen effizient.

In einer beispiellosen Übertragungsaktion sollen deutsche Umweltstiftungen demnächst Teile des sogenannten Tafelsilbers der deutschen Einheit erhalten, also Flächen aus Naturschutzgebieten, die in der DDR Volkseigentum waren. Basis ist das neue Vermögensrechtsergänzungsgesetz. Das sieht konkret vor, vom Bund 100.000 Hektar geschützter Flächen kostenlos an die fünf neuen Länder zu geben, von denen sie die Hälfte kostenfrei bis zum Jahresende an die Stiftungen übertragen können. Immerhin eine Fläche rund doppelt so groß wie der Nationalpark Bayrischer Wald. Weitere 50.000 Hektar müßten die Stiftungen allerdings ab 2002 zum Verkehrswert kaufen. Zur Vorgeschichte gehört, daß angesehene Naturschützer, wie Professor Doktor Wolfgang Engelhardt, langjähriger Präsident des Deutschen Naturschutzrings, gefordert hatten, just jenes Tafelsilber der Einheit vor dem Verhökern zu retten. Denn mit einem Großteil war dies in der Kohl-Ära schon geschehen, wider den Naturschutz. Zumeist westdeutsche Käufer, darunter auffällig viele Fürsten, Grafen, Barone, Prinzen und andere Adlige, hatten sich Filetstücke in den Ostbiotopen gesichert, dort teilweise Zerstörungen angerichtet. Doch auch die bevorstehende Übertragungsaktion hat ihre Tücken, Haken, Schönheitsfehler, wie das Beispiel Brandenburg zeigt – kein anderes östliches Bundesland kann mehr Flächen übertragen – insgesamt 13.000 Hektar. NABU-Vizepräsident Christian Unselt, der in Eberswalde die NABU-Stiftung “Nationales Naturerbe“ leitet, freut sich, daß seine Stiftung demnächst auch im 230 ha großen NSG an der Blumberger Mühle kleinere Arrondierungsflächen erhalten könnte, außerdem 700 Hektar am Stechlinsee, rund 800 Hektar im Westhavelland – insgesamt in Brandenburg noch fünftausend Hektar.

Ein Großteil der künftigen Stiftungsflächen ist Wald – vor allem Buchen, auffällig viele davon hundert, zweihundert Jahre alt. Unselt hat dort naturgemäße Waldbewirtschaftung vor, mit sanfter, nicht brachialer Forsttechnik – aber nicht überall - viel Wald soll völlig frei von menschlichem Eingriff bleiben. “Wenn der Schutzzweck auch bei Holzeinschlag erreicht werden kann, dann ist auch der möglich und zulässig – und kann durchaus auch sinnvoll sein. Das hängt vom jeweiligen Schutzgebiet ab.“

Flächen an Fürsten oder Greenpeace?
Gleich neben den Blumberger Teichen hat der bayrische Fürst Albrecht zu Öttingen-Spielberg über eintausend Hektar im Biosphärenreservat gekauft. Der Fürst ist Chef des bayrischen Grundbesitzerverbandes, Vizechef der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Grundbesitzerverbände. Er zählt zu den adligen Privatwaldbesitzern, die NABU, Greenpeace und WWF, den ostdeutschen Naturschützern sowieso, große Probleme machen, gerade in Brandenburg sicherte sich der Hochadel besonders viele Filetstücke. Da werden mitten in der Adlerbrutzeit im Schutzgebiet massiv uralte Buchen abgeholzt, sensible Moorflächen, Amphibientümpel mitzerstört, wird eine große streng geschützte Reiherkolonie gleich mit den noch nicht flüggen Jungvögeln vernichtet, sie verenden grausam. Zahlreiche Beispiele, in ganz Ostdeutschland. Wie aus dem NABU verlautete, stehen jene Adligen hinter dem heftigen Streit in der Brandenburger CDU-SPD-Koalition um die Flächenvergabe an die Stiftungen. So wurde im Agrar-und Umweltausschuß des Landtags eine Beschlußvorlage des CDU-Abgeordneten Graf Alard von Arnim auch mit den Stimmen von SPD und PDS angenommen, alle kostenfreien BVVG-Naturschutzflächen in Landesvermögen zu übernehmen und nicht den Stiftungen zu geben. Dies widerspricht einem Kabinettsbeschluß – das weitere Verfahren ist völlig offen.

Unselt gehört zur sogenannten Steuerungsgruppe, die verhindern soll, daß es bei der kostenfreien Flächenübertragung zu unsinniger Konkurrenz zwischen den Naturschutzverbänden und Stiftungen kommt – dennoch verursacht der Übertragungsprozeß schmerzhaft hohe Kosten.

“Die Flächen werden zwar unentgeltlich abgegeben, doch die Erwerbsnebenkosten, Notargebühren, Grunderwerbssteuer, Grundbuchgebühren sind zu finanzieren. Wenn wir mal von einem Durchschnittspreis von etwa 100 Mark Gebühren ausgehen bei 50.000 Hektar, dann werden das etwa fünf Millionen. Wir haben für die Nabu-Stiftung kalkuliert, daß wir für die 5.000 Hektar, die wir in Brandenburg übernehmen wollen, bis zu 400.000 Mark bezahlen müssen. Da sind wir natürlich auf unsere Spender und Förderer angewiesen – erhielten in den letzten Wochen schon erhebliche Mittel.“

Martin Kaiser, Greenpeace-Forstexperte, zeigt dem Raben Ralf weiter nördlich, bei Wilmersdorf, ein Totalreservat, das die Greenpeace-Stiftung im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin neben anderen Wälder übernehmen möchte- 3.200 Hektar kostenfrei, weitere 400 Hektar per Kauf.

“Wir wollen dieses und nächstes Jahr hier in Brandenburg etwa zwei Millionen investieren. Ungefähr ein Drittel der Fläche nutzen wir überhaupt nicht mehr, lassen da einen Urwald von morgen entstehen. Auf zwei Dritteln der Fläche ist ökologische Waldbewirtschaftung vorgesehen. Wenn die sich auch noch ökonomisch trägt, können wir damit die Kosten tragen für ungenutzte Flächen tragen.“

Greenpeace will einen Waldbetrieb einrichten, einen Förster, drei bis fünf Waldarbeiter aus der Region einstellen. Kaiser, Forstingenieur und Geoökologe, kommt aus Hamburg – würde in Brandenburg das erste, dazu europaweit einmalige Greenpeace-Projekt leiten. “Hier in diesem Biosphärenreservat gibt es Waldreste mit so reicher Artenausstattung wie in keinem anderen deutschen Buchenwald. Wir wollen mit Umweltbildung die Menschen in die Wälder bekommen, Begeisterung wecken, daß sich jeder dieser Einzigartigkeit auch bewußt ist – und das unterstützt.“

Gegen neofeudale Trophäenjagd
Also keinen Kahlschlag mehr, keine Chemie. Und die Jagd? Ein heikles, heiß diskutiertes Thema. Zu hohe Wildbestände, mangels natürlicher Feinde, und deshalb zuviel Verbiß an jungen Bäumen – das schadet dem Naturschutzzweck. So sieht es auch Greenpeace. “Wir möchten aber komplett weg von der Trophäenjagd. Es gibt in Deutschland 96 jagdbare Tierarten, wo wir sagen, auf über neunzig Prozent dieser Tierarten sollte nicht mehr gejagt werden.Wir wollen gemeinsam mit dem ökologischen Jagdverband und einem Wildökologieinstitut ein Bejagungskonzept erstellen, das diese Kriterien erfüllt. Daß die Wildtiere nicht das ganze Jahr über von Jägern gestört werden.“

Auf Dachse, Wildenten oder Baummarder wird dann überhaupt nicht mehr geschossen. Doch noch hat Greenpeace die Flächen nicht – gibt es adlige Mitbewerber, auch den Fürsten zu Öttingen-Spielberg, der Ansprüche anmeldet. Diverse Adlige seien generell Gegner der Flächenübertragung, auch weil sie den Verlust von Jagdgebieten fürchteten. Denn seit der Wende wurde erwartungsgemäß in Brandenburg zügig wieder hochherrschaftliches Jagdgebaren aus Leibeigenenzeiten eingeführt. Grüne-Liga-Sprecher Norbert Wilke kennt das zur Genüge: “Diese Hinwendung zur feudalen Trophäenjagd ist ein Rückschritt um ein paar Jahrhunderte.“

Martin Kaiser nennt als Hintergrund des neuen Vermögensergänzungsgesetzes, “daß die Treuhandflächen an Privatleute abgegeben wurden, die nicht den Naturschutz als oberstes Ziel hatten, sondern die wirtschaftliche Nutzung – und der Naturschutz blieb auf der Strecke. In seinen Forsten in Bayern, betont Greenpeace, betreibe der Fürst eine rein profitorientierte, ökologisch schädliche Waldwirtschaft. Experten, so verlautete ferner, konstatierten Kahlschläge, Fichtenpflanzungen, übermäßig hohen Wildbestand – nannten all dies „katastrophal“. Ein Insider: “In Brandenburg hält sich der Fürst damit erst einmal zurück, da er ja noch einige tausend Hektar haben will. Hat er die erst, wird er auch hier für Ärger sorgen, wie in seinen bayrischen Wäldern vorgehen.“ Unterdessen stellte Greenpeace gegenüber dem Raben Ralf klar, auf das Brandenburg-Projekt ganz zu verzichten, falls man nur zerstückelte Flächen, auf denen kein sinnvoller Naturschutz betrieben werden könne, übergeben werden solle. Denn noch habe der Treuhand-Nachfolger BVVG nicht endgültig entschieden, welche Flächen Brandenburg erhält. “In der BVVG sitzen dummerweise einige Leute, die den Fürsten von Öttingen-Spielberg gerne begünstigen würden.“ Über seinen politischen Kanäle sei dieser sehr aktiv, ohne selber persönlich in Erscheinung zu treten. Übliche Nachwendepolitik halt.

Unselt und Kaiser stammen aus den alten Bundesländern, Rüdiger Mauersberger, Ansprechpartner des WWF, ist aus dem Osten, wohnt fern der Dörfer mit der Familie tief im Naturpark Uckermärkische Seen, sieht, wie er sagt, bei der Gartenarbeit ganz nebenbei Seeadler, Fischadler, Schreiadler. Sein Vater war in der DDR einer der herausragendsten Artenexperten, schrieb Standardwerke – er tritt ganz offensichtlich in dessen Fußstapfen, promovierte bei NABU-Vize Succow, leitet ein Naturschutz-Großprojekt des Bundes, das die eiszeitlich geformte Seenlandschaft mit ihren Wäldern und Mooren sichern soll.

Böse Erfahrungen mit Waldprivatisierung — SPD-Stolpe mag Hochadel
Der WWF möchte im Naturpark Uckermärkische Seen etwa dreitausend Hektar, davon eintausend kostenfrei übernehmen, dort echten Naturschutz betreiben, um den es in Brandenburg unter der CDU-SPD-Koalition gar nicht zum besten steht, viele Naturschutzgebiete, wie festgestellt wurde, von ihren Schutzzielen weit entfernt sind.

Die Pläne Mauersbergers, des WWF: Gräben zuwachsen lassen oder sogar zuschütten, Dränagerohre beseitigen, Ackerflächen neben Klarwasserseen in Wiesen oder sogar Wald umwandeln – viel mehr Totholz, Altholz in den Wäldern zulassen, viel mehr Bäume, wie er sagt, eines natürlichen Todes sterben lassen - nur ganz, ganz geringe forstliche Nutzung. Doch Mauersberger ist weit skeptischer als Unselt vom NABU und Kaiser von Greenpeace, ob tatsächlich bis zum Jahresende im Osten 50.000 Hektar zugunsten des Naturschutzes der Privatisierung entzogen werden. Manche Experten sprechen von höchstens 30.000 Hektar, weil ja Leute, die Alteigentümer sind oder sogenannten Bauernwald wollen, laut Gesetz Vorrang haben. “Das stellt den Gesetzestext mehr oder weniger auf den Kopf, konterkariert die Entwicklung, um die es eigentlich ging - nämlich ehemals volkseigene Flächen, die im Naturschutzgebiet liegen, jetzt dem Bund gehören, eigentlich einem öffentlichen Interesse zugeführt werden sollten. Die WWF-Flächensumme, dreitausend Hektar, kann sich stark reduzieren. Ich würde mich nicht wundern, wenn am Ende nur die Hälfte übrigbleibt. Das wäre ein herber Verlust. Wir hattens uns schon etwas anders vorgestellt.“

Naturparkleiter Roland Resch ist nicht weniger kritisch, wegen böser Erfahrungen grundsätzlich gegen Naturprivatisierung – wegen negativer Langzeitfolgen. „Wald gehört in die öffentliche Hand, dorthin, wo er schon einmal war. Die Privatbewirtschaftung ist nicht in der Lage, Naturschutzziele umzusetzen.“ Fürst zu Solms-Lich, Bruder des FDP-Schatzmeisters, hatte laut Umweltexperten “nicht wiedergutzumachenden Schaden an der Natur“ angerichtet – Resch befürwortete daher, der Fürst müßte wegen solcher schweren Verfehlungen seine Wälder wieder abgeben – Greenpeace sieht das genauso. Nicht aber SPD-Ministerpräsident Manfred Stolpe, der die Blaublütigen “wichtige Aufbauhelfer für das Land“ nennt. “Doch ist das Engagement des Adels in Brandenburg inzwischen ein Wirtschafts- und Kulturfaktor, ein Gewinn für das Gemeinwesen geworden.“