PISA beginnt an den Universitäten
Wolfgang Thüne

Hört man das Wort PISA, so denkt man reflexartig an die gleichnamige italienische Stadt Pisa mit dem berühmten "schiefen Turm". Doch das Wort PISA hat inzwischen eine völlig andere Bedeutung und steht für eine Schieflage im bundesdeutschen Bildungssystem. Diese ist eine Folge fortgesetzter Bildungsreformen, die in den 60-er Jahren des 20. Jahrhunderts einsetzte und dazu führen sollte, das deutsche antiquierte Bildungssystem an die Weltspitze zu katapultieren.

Exakt das Gegenteil ist eingetroffen. Die 68-er Kulturrevolution hat die angebliche von Professor Picht diagnostizierte "Bildungskatastrophe" erst provoziert und unsere Schüler in die globale Mittelmäßigkeit absinken lassen. Diese werden zwar mit Informationen regelrecht "zugemüllt", aber ihnen wird nicht mehr das Wissen vermittelt, das notwendig ist, um die Informationen zu sortieren und zu bewerten, um Wissenswertes vom Informationsschrott zu trennen.

Nachdem dieser Zustand international dokumentiert und nicht mehr unter den Tisch zu kehren ist, rätselt man um die Ursachen und sucht nach den Schuldigen. Am einfachsten ist es, die Betroffenen, die Schüler, und ihr Umfeld, die Eltern, für das Bildungsdefizit verantwortlich zu machen. Die Lehrer weisen alle Schuld von sich und schieben diese der Bildungspolitik zu, die wiederum die Finanzsituation beklagt. Nur mehr Geld könne noch das Bildungssystem retten und zu neuen Höhen führen. Der "schwarze Peter" liegt beim Finanzminister und damit bei der "Gesellschaft", die zuwenig Steuern zahle und die Jugend geistig verkümmern lasse.

Doch all diese mehr oder weniger gelehrten und leeren Analysen und Diagnosen machen einen Bogen um die Wahrheit wie der Pudel um den heißen Brei. Ursache für die "Bildungskatastrophe" ist eine "Klimakatastrophe", die unser ganzes Gesellschaftssystem revolutionieren, ihm eine völlig andere Neigung geben sollte. Wer weiß heute noch, dass das Wort "Klima" von dem griechischen Wort ‚klinein' abgeleitet wird, das "neigen" bedeutet? "Klima" heißt "Neigung"! Im alltäglichen Sprachgebrauch wird "Klima" so gebraucht. Ob wir vom Arbeits- und Börsenklima, vom Konsum- oder Wirtschaftsklima sprechen, immer beurteilen wir damit eine "Neigung"! Mit dem Wetter hat "Klima" nichts zu tun. Es ist daher Unsinn, mit dem Vorhaben "Klimaschutz" das Wetter schützen und es menschlichen Neigungen und Wünschen anpassen zu wollen.

Wenn trotzdem in allen Landtagen, im Bundestag, im europäischen Parlament wie bei den Vereinten Nationen über "Klimaschutz" im Sinne von "Wetterschutz" debattiert wird, ist das Ausdruck dafür, wie nachhaltig die Bildungskatastrophe sich bereits in der Politik auswirkt. Das physikalische wie biologische Unwissen ist in der "politischen Klasse" weltweit so groß, dass man das für die Pflanzen und damit alles Leben wichtigste atmosphärische Gas, das Kohlendioxyd, aus dieser eliminieren, es tief unter der Erde oder in den Ozeanen "sequestrieren" will, um das "Klima" zu retten und den "Treibhauseffekt" zu verringern. Ohne Kohlendioxyd in der Luft gäbe es keine Photosynthese, kein Nahrung und Sauerstoff produzierendes Pflanzenwachstum und damit kein Leben auf der Erde. "Klimaschutz" radikal wäre ein globales Selbstmordprogramm ohnegleichen.

Wer hat nun dieses Unwissen produziert? Sind es die Schüler, die Eltern oder die Lehrer? Nein, es ist die "Wissenschaft", es sind die Professoren! Sie haben sich den "Treibhauseffekt" ausgedacht und die "Klimakatastrophe" erfunden, dann mit der ‚venia legendi' ausgestattet die Lehrer indoktriniert und die veröffentlichte Meinung manipuliert. Man beschimpfte die herkömmliche "autoritäre" Wissenschaft und hob sich in den Stand eines "kritischen Wissenschaftlers", der allein in der Lage sei, die Wirklichkeit objektiv zu beurteilen und in eine bessere Zukunft zu führen. Geistiges Fundament war die "Kritische Theorie" der Frankfurter Schule". Sie maßte sich an, alles kritisieren und aus den Angeln heben zu können, umgab sich mit dem Heiligenschein intellektueller Unfehlbarkeit und schaltete somit jegliche Kritik an ihrem Weltbild aus.

Man lebte in einer abstrakt-theoretischen Lebenswelt und operierte an einem abstrakten Bildungssubjekt, nicht an lebendigen Schülern unterschiedlichster Begabung. Unter dem Vorwand der "Chancengleichheit" und "Chancengerechtigkeit" betrieb man eine Nivellierung ohnegleichen und schuf die Mittelmäßigkeit, die heute so beklagt wird, insbesondere von denen, in deren Verantwortung die Lehrerbildung lag und liegt, den Professoren. Einzig die allen Bildungszentralisten so verhasste "bildungspolitische Kleinstaaterei" verhinderte, dass die Neigung des Bildungsturmes PISA nicht noch schiefer ausfiel. PISA ist ein Argument für den Föderalismus und nicht gegen ihn. Das föderal strukturierte Bildungssystem ist die letzte Bremse gegen eine totale bundesweite Nivellierung.

Wer die Schieflage des Bildungssystems korrigieren will, muss den theoretischen Überbau reformieren, die "Weltbilder im Kopf" wieder ins Lot bringen, vom Kopf auf die Füße stellen. Die Einfachheit der Theorie muss wieder der Komplexität der Wirklichkeit angepasst, die Bildung muss entideologisiert und den praktischen Bedürfnissen wie der Vielfalt der Bildungsträger, der Mannigfaltigkeit an Schülern und Begabungen optimal angepasst werden. Nur dann werden wir den Herausforderungen der "Globalisierung" gerecht und können dem geistig immer größer werdenden Konkurrenzdruck standhalten.

Doch wer hat den Mut, die Reformen da anzusetzen, wo sie am Dringendsten sind, an den Universitäten? Hier geht es zu wie in den 60-er Jahren des 18. Jahrhundert an der Albertina in Königsberg. Damals hieß es: "Die Professoren sind unfleißig." Statt Vorlesungen zu halten, beschäftigten sie sich mit der Abfassung von lukrativen Gutachten. Auf den Einwand, sie würden zu wenig verdienen, konterte der Staat, dass jedem, der es wolle, "frey steht, täglich um seine Demission zu bitten". Auf ein entsprechendes Petitum des Großkanzlers von Fürst vom 5. November 1768 wurde am 31. März 1770 Immanuel Kant zum ordentlichen Professor ernannt, um die Albertina von innen heraus zu reformieren. In einem Edikt des Ministers von Zedlitz aus dem Jahre 1775 heißt es unmissverständlich, dass "die Köpfe der Studierenden nicht mit nahrungslosen Subtilitäten verdüstert, sondern aufgeheitert und durch die Philosophie zur Annahme und Anwendung wahrhaft nützlicher Begriffe fähig gemacht werden."

Auch heute gilt es, die Lehrpläne von nutzlosem ideologischen Ballast zu befreien, stattdessen Fakten zu vermitteln und die Studenten zum Selbstdenken zu erziehen. Hierbei zu helfen sind insbesondere die Professoren aufgerufen, die es bisher vorgezogen haben, schicksalsergeben sich zu fügen und zu schweigen. Doch ohne massive Unterstützung der Politik, der das Wohl unserer Jugend absolute Priorität genießen sollte, geht es nicht. Sie hat mit der baden-württembergischen Kultusministerin Annette Schavan die wichtige Aufgabe, ein "Klima der Verantwortlichkeit" zu schaffen, das für die Reform der zahllosen "Bildungsreformen" unverzichtbar ist. Und damit landet die Verantwortung wieder beim "Volk" als Souverän, bei jedem einzelnen wahlberechtigten Bürger!

Oppenheim, dem 31. Juli 2002

gez. Dr. Wolfgang Thüne
Wormser Str. 22
55276 Oppenheim
wolfgang@thuene.com

Bücher:
Der Treibhaus-Schwindel, Oppenheim 2000 (ISBN 3-9803768-6-9)
"Freispruch für CO2!", Wiesbaden 2002 (ISBN 3-9807378-1-0)

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"PISA" ist die Abkürzung für "Programme for International Student Assessment."

Anmerkung tf-: Bildungslücken bei Gerhard Schröder: Auf einer SPD-Veranstaltung am 1.7.2002 im Willy-Brandt-Haus sprach er von der "PISA-Studie" der OECD, als "einer Studie, die nach dieser italienischen Stadt benannt ist" (Phoenix, 2.7.2002, 10.41 Uhr).