Lärmbelästigung durch Windindustrieanlagen
Klangprobe: http://www.windpark-oldeborg.de
Handelsblatt,Montag, 20.7.1998 / Nr. 136, Seite 3
ENERGIE / Anwohner klagen wegen Lärm - und bekommen rechtImmer häufiger stoppen Richter die Windräder
Von JOACHIM JAHN und MARTIN NOÉDie Windenergie, oft als umweltfreundliche Form der Stromerzeugung gepriesen, stößt an ihre Grenzen. Mehrere Gerichte haben jüngst die spargelförmigen Anlagen gestoppt, weil Anwohner gegen "Lärmterror, Landschaftsverschandelung und Lichteffekte" angehen.
HANDELSBLATT, Sa./So., 18./19.7.98 DÜSSELDORF.
Bei manchen Klägern liegen die Nerven bloß. "Man kann tagsüber nicht im Garten sitzen und nachts nicht richtig schlafen", stöhnt etwa Rudi Frischmuth. Seit vergangenen Mittwoch hat der Anwohner eines Windparks im nordrhein-westfälischen Kreis Düren etwas Ruhe, vorerst jedenfalls: Das Oberverwaltungsgericht Münster hat zwei von neun Rotoren stillgelegt, die dort nach und nach in Betrieb genommen worden waren.Die "Elektrospargel" sind von einer Investorengruppe aus Stuhr bei Bremen auf einer aufgeforsteten Abraumhalde errichtet worden, die als solche bereits die beiden umliegenden Ortschaften um mehr als 50 Meter überragt. Darauf stehen nun die noch einmal bis zu 140 Meter hohen Türme, an deren Spitze sich die Propeller im Wind drehen - nicht lautlos, sondern, wie das Gericht festgestellt hat, mit einem monotonen Brummton, dazu mit dauernd an- und abschwellendem Heulton sowie mit einem rhythmisch, schlagartigen Geräusch, jedesmal wenn die Rotorblätter den Turm passieren.
Während die Anleger Subventionen für ihre Investition in den Ökostrom erhalten, leiden Anwohner der in 500 Meter Entfernung beginnenden Siedlung - ein "reines Wohngebiet" im Sinne des Bauplanungsrechts - unter der umweltfreundlichen Stromproduktion. Dazu kommt, wenn die Sonne scheint, ein geradezu stroboskopartiger "Licht-Schatten-Wurf", dem selbst innerhalb des Hauses nicht auszuweichen ist.
Die richterliche Abfuhr für die Dürener Windrotoren hat auch die Freunde regenerativer energien in der nordrhein-westfälischen Landesregierung irritiert. Im grün geführten Bauministerium denkt man nach dem Studium der Urteilsbegründung darüber nach, künftig mehr Platz zwischen den Häusern und den alternativen Lärmmachern zu schaffen. Derzeit schreibt ein Erlaß einen Abstand von etwa 550 Metern zwischen reinen Wohngebieten und Windkraftanlagen vor. Ziel ist es, eine nächtliche Lärmgrenze von 35 Dezibel einzuhalten. Bei den - beschönigend - Windparks genannten industriellen Anlagen aus mehreren Rotoren sollen es voraussichtlich ein paar hundert Meter mehr werden. Ein Sprecher: "Windparks sind eine neue Sache, da müssen wir alle noch dazulernen."
Tatsächlich gibt es keine Energieart, die einen derart stürmischen Aufschwung hinter sich hat wie die Windkraft in Deutschland. Lieferten die Rotoren 1990 insgesamt nur knapp 50 Megawatt Leistung, so sind es Mitte dieses Jahres bereits 2350 Megawatt, wie das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien mitteilt. Damit liegt Deutschland weltweit an der Spitze. Die USA und Dänemark als nächstgrößte Produzenten erzielen 1600 beziehungsweise 1200 Megawatt. Bis zum jahr 2002 soll der Abstand weiter wachsen; nach Schätzungen des Deutschen Windenergie-Instituts wird die Bundesrepublik ihre Leistung aus Windenergie fast verdoppelt haben.
Dafür gibt es, auch angesichts der für Windkraft nicht optimalen Verhältnisse in Deutschland, nur einen Grund: Die großzügige Subventionierung der sauberen , umweltfreundlichen Energie. Wer Strom aus Windenergie produziert, kann ihn garantiert zu einem Fixpreis verkaufen; abnehmen müssen ihn die regionalen Energieversorger, bis die Windkraft einen Anteil von 5 Prozent an ihrer Stromversorgung ausmacht. Für die darüber hinausgehenden Kosten hat der vorgelagerte Netzbetreiber aufzukommen - bis auch er den 5 Prozent -Anteil erreicht hat. Für diese Regelungen sorgt das Stromeinspeisungsgesetz, das als Mindestvergütung pro Kilowattstunde knapp 17 Pfennig vorschreibt.
In den kommenden Jahren dürfte der Betrag etwas sinken. Denn der Wert errechnet sich aus den Durchschnittserlösen, die die Energieversorger aus der Belieferung aller Stromverbraucher erzielen; und Strom wird wegen des zunehmenden Wettbewerbs billiger.
Deshalb müssen auch die Stromkonzerne schärfer als früher rechnen - und die Windkraft gerät manchen von ihnen immer mehr zum Ärgernis. So hat PreussenElektra in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde gegen das Stromeinspeisungsgesetz eingereicht. Der im Norden ansässige Energieversorger beklagt Wettbewerbsverzerrungen, weil sich an der Küste besonders viel Windanlagen angesiedelt haben - die ihn teuer kommen. Bis zu 400 Mill. DM werde das Unternehmen 1998 zusetzen müssen, rechnet Vorstandschef Hans-Dieter Harig vor.
Vielleicht helfen Harig auch die Klagen der Anwohner, die Zuschüsse zu begrenzen. Rechtsanwalt Thomas Mock aus Remagen, wegen eines Hauses in de Eifel selbst schon gegen Windräder vor Gericht gezogen, berichtet von bundesweit mehr als 200 Bürgerinitiativen, die gegen diese regenerative Energie streiten. Gemeinsam mit anderen Windkraft-Gegnern hat er sogar schon eine Fibel als Argumentationshilfe und Rechtsratgeber veröffentlicht. Das Buch gibt Tips, wie man sich gegen die alternativen Energieerzeuger wehren kann.
Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte schon einmal im Januar 1998 die Geräuschimmissionen, die von einer solchen Anlage ausgehen, bemängelt. Walter Mörsch von der Dürener Kreisverwaltung weist darauf hin, daß man angesichts dieser Rechtslage die Genehmigung für die (im gegensatz zu normalen Bauten auch außerhalb von Bebauungsplangebieten zulässige) Anlage von vornherein mit Auflagen versehen habe: So müssen die Turbinen ausgerechnet dann stillgelegt werden, wenn sie besonders viel Strom erzeugen könnten: wenn der Wind aufdreht.
Auch das Verwaltungsgericht Oldenburg hat erst am 1. Juli zwei Windstromanlagen lahmgelegt. Die Baugenehmigung, so die Juristen unter Hinweis auf mehrere andere einschlägige Urteile, verstoße "aller Voraussicht nach gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme". Der Mindestabstand betrage das sechs- bis siebenfache der Anlagenhöhe. Anderenfalls, so die Gerichte, könne es zu psychischen Erkrankungen kommen - und zur Gefahr von Eiswurf. http://members.tripod.de/WilfriedHeck/wind10.htm
Lärm kann krank machen
Umweltjournal Rheinland-Pfalz (S.12-13)
Von Peter Schulte-Hubbert, Ministerium für Umwelt und Forsten
Lärm ist Schall, der als lästig empfunden wird oder zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann. Hierbei ist zwischen der auralen und der nicht-auralen Wirkung des Lärms zu unterscheiden, die auf unterschiedliche Ausgangssituationen zurückzuführen sind.
Aurale Lärmwirkung
Von der auralen Lärmwirkung wird bei Gehörschäden durch Geräusche gesprochen. Hierbei werden durch jahrelange Einwirkung von Geräuschpegeln über 85 Dezibel (dB(A» -bezogen auf acht Stunden pro Tag beziehungsweise 40 Stunden pro Woche - die zirka 30.000 Haarzellen im Innenohr geschädigt. Auch durch hochintensiven und extrem dynamisch einwirkenden Schall können die Haarzellen verwirbeln, verklumpen und sogar ausgerissen werden. Die Schädigung der Haarzellen lässt sich nicht mehr rückgängig machen. je höher die Schallintensität ist, je geringer ist die für eine bleibende Schädigung erforderliche Einwirkungszeit. So genügt ein Pegel von 125 dB(A), um innerhalb von einer Sekunde das Gehör zu schädigen.
- Schwerhörigkeit
Etwa 15 Millionen Menschen in Deutschland sind schwerhörig. Während in einigen Fällen die Schwerhörigkeit durch Medikamente oder durch einen operativen Eingriff geheilt oder vermindert werden kann, ist dies bei der Mehrzahl der Bevölkerung nicht möglich. Hierbei sind nicht nur ältere Menschen von Hörproblemen betroffen. Zunehmend leiden auch junge Menschen durch überlauten Musikgenuss an diesen Problemen. Messungen von Pegelverläufen in Diskotheken oder bei Popkonzerten haben gezeigt, dass dort häufig Dauerschallpegel von weit über 100 dB(A) herrschen. Unmittelbar in der Nähe von Lautsprechern bei Rockkonzerten wird sogar die Schmerzgrenze von 120 dB(A) überschritten. Untersuchungen belegen, dass bei Diskothekenbesuchern mit auffälligem Hörverlust insgesamt 23 Prozent der Fälle dem Einfluss des Diskothekenlärms zuzuschreiben sind. Auch das Tragen von ohrnahen Schallquellen wie Walkman stellt ein gesundheitliches Problem dar. So werden 44 Prozent der Fälle von Hörschäden lautem Walkman-Hören zugeschrieben.
Zwar können behördlicherseits zum Beispiel bei Diskotheken- und Rockveranstaltungen Schallpegelbegrenzer gefordert werden, dies trifft jedoch auf erheblichen Widerstand seitens der Veranstalter und der Besucher. Es muss daher immer wieder auf die Gefahren hingewiesen und für eine Reduktion des Schalldruckpegels plädiert werden. Sollten zudem Nachbarn bei Freiluftveranstaltungen durch unzulässig hohe Lärmimmissionen belästigt werden, können seitens der zuständigen Behörde ebenfalls Schallpegelbegrenzer gefordert werden.
Die Dezibelskala ist logarithmisch aufgebaut. Was das bedeutet, lässt sich an Beispielen zeigen: Eine Verdoppelung des Schalldruckes wenn man etwa eine Anlage durch eine zweite, gleichlaute ergänzt - zeigt an einem Messgerät die Zunahme von drei dB an. Vier gleichlaute Anlagen statt einer bedeuten eine Schallzunahme von sechs dB, zehn gleichlaute Anlagen erhöhen den Schallpegel um zehn dB. Die Verzehnfachung des gemessenen Schalldrucks entspricht einer Verdoppelung eines Geräusches in der subjektiven Wahrnehmung. Wenn also eine Kreissäge den Lärm in der Stärke von 100 dB(A) verursacht, erhöhen neun zusätzliche Kreissägen gleicher Lautstärke den Pegel auf 110 dB(A). Das menschliche Ohr nimmt diese Erhöhung als Verdoppelung wahr. In der Diskussion beispielsweise um Disco-, Straßen- oder Fluglärm sollte man daher nicht dem Irrtum unterliegen, die Dezibelskala sei wie eine Prozent-Skala zu lesen.
Nicht-aurale Lärmwirkung (vgl. Infraschall)
- Vegetative Lärmwirkung
Lärm wirkt nicht nur auf den Gehörsinn, sondern kann auch den Gesamtorganismus beeinflussen. So wird das Nervensystem direkt oder indirekt erregt und beeinflusst wiederum eine Reihe von vegetativen Funktionen wie:
- Freisetzen von Kortisol, Adrenalin und Noradrenalin, - Steigerung von Herzfrequenz, Blutdruck, Atmungsfrequenz, Schweißsekretion, Magensaftproduktion, - Vergrößerung der Pupillenfläche, - Erhöhung der Muskelspannung, - Verringerung von peripherer Durchblutung und Hautwiderstand.
Hierdurch zeigt der Organismus an, dass er auf ein erhöhtes Aktionsniveau angehoben wird. Durch übermäßig hohe und langeinwirkende Schallbelastungen kann es somit zu Gesundheitsbeeinträchtigungen kommen. im nicht-auralen Bereich ist aber nicht mit einer spezifischen Lärmkrankheit zu rechnen. Lärm wirkt vielmehr als Stressfaktor, der Erkrankungen begünstigt, die durch Stress mitverursacht werden. Hierzu zählen insbesondere Herz-Kreislauferkrankungen.
Wissenschaftliche Untersuchungen an gesunden Erwachsenen zeigen, dass Risikoerhöhungen bei Straßenverkehrslärm mit äquivalenten Dauerschallpegeln (über das Jahr gesehen) von tags außen über 65 dB(A) einsetzen. oberhalb von Dauerschallpegeln von 90 dB(A) ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine Risikoerhöhung zu erwarten. Untersuchungen des Umweltbundesamtes belegen, dass etwa 16 Prozent der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland diesen 65 dB(A) ausgesetzt sind. Die epidemologischen Untersuchungen gehen davon aus, dass diese Menschen ein um etwa 20 Prozent erhöhtes Risiko für Herzinfarkte haben. Für das Jahr 1998 haben Herzspezialisten (nach Aussage des BUND) die Zahl der durch Straßenlärm verursachten Herzinfarkte mit mindestens 10.000 beziffert.
- Kommunikationsstörungen
Vor allem bei Kindern stört Lärm die Konzentrationsfähigkeit und das Lernvermögen, Auch bei Erwachsenen kann Lärm die sprachliche Kommunikation beeinflussen. Beeinträchtigungen der Spracherkennung und der Sprachproduktion können bewirken, dass:
- Informationsverluste entstehen,- Kommunikationsdauern verlängert werden,
- Gedankenketten abreißen,
- Anstrengungen beim Hören und Sprechen auftreten, die das übliche Maß übersteigen und Spracherwerb von Säuglingen, Klein- und Schulkindern negativ beeinflussen sowie
- hörbehinderte Kinder überdurchschnittlich gestört werden.
Das Verstehen oder Nichtverstehen von Sprache ist ein wichtiger Faktor bezüglich der Belästigung. So haben Menschen keine Lust, sich in lauter Umgebung längere Zeit mit angehobener oder gar schreiender Stimme zu unterhalten. Unterhaltungen werden daher abgebrochen und auf das Notwendigste beschränkt. Auch Unterbrechungen durch kurzfristige Lärmeinwirkungen werden als belästigend und ärgerlich erlebt, da Gedankenketten abreißen können.
Besonders störend wird empfunden, wenn gewünschte Informationen irreversibel verloren gehen, vor allem beim Hören von Hörfunk- und Fernseh-Sendungen, da hierbei keine Rückfragemöglichkeit besteht.
dB(A) - Beispiele 0 - Definierte Hörschwelle 10 - Blätterrauschen im Wald 20 - Tropfender Wasserhahn 30 - Flüstern 40 - Brummen eines Kühlschranks; leise Radiomusik 50 - Leise Radiomusik; übliche Tagespegel im Wohnbereich 60 - Umgangssprache; PKW in 15 m Abstand 70 - Staubsauger 80 - PKW mit 50 km/h 1 m Abstand; max. Sprechlautstärke 90 - LKW-Motor 5 m Abstand; PKW mit 100 km/h in 1 m Abstand 100 - Kreissäge; Lärm in einem Kraftwerk; Posaunenorchester 110 - Propellerflugzeug 7m Abstand; Bohrmaschine; laute Diskothek 120 - Verkehrsflugzeug 7 m Abstand; Beginn der Schmerzgrenze 130 - Düsenjäger 7 m Abstand; Walkman Maximalbelastung; Schmerzgrenze 160 - Gewehrschuss in Mündungsnähe