Holz wird als Energieträger wiederentdeckt/14-Megawatt-Kraftwerk in Wicker geplant

Vom 30.05.2001

Von KURIER-Redakteur

Andreas Metz

WIESBADEN Bislang sind Windkraftanlagen die Gallionsfiguren der umweltfreundlichen Energieerzeugung. Während noch in entlegensten Bergregionen Windräder aufgestellt werden, muss ein anderer Energieträger erst noch wiederentdeckt werden, den es in Deutschland überall gibt und der den Wind an Potenzial klar in den Schatten stellt: Holz. Seit 1999 fördert die Bundesregierung den Einsatz von Biomasse zur Stromerzeugung, und langsam aber sicher reagiert die Wirtschaft auf die Anreize: In Flörsheim-Wicker im Main-Taunus-Kreis soll bis 2003 die erste Großanlage in der Region entstehen.  
Ein Kamin- oder Lagerfeuer setzt fast bei jedem romantische Gefühle frei, aber als Stromlieferant ist Holz völlig in Vergessenheit geraten: Gerade mal ein Prozent des bundesdeutschen Strombedarfs wird heute aus Biomasse gedeckt, Holzheizkraftwerke müssen sich diesen geringen Anteil noch mit Biogaskraftwerken teilen. Das Potenzial von Biomasse in Deutschland schätzen Experten aber auf zehn bis 15 Prozent. Zum Vergleich: Kernenergie liefert derzeit rund 30 Prozent des deutschen Strombedarfs.

Potenzial liegt brach

Vieles spricht für Holz: Es ist anders als Öl und Gas bei nachhaltiger Nutzung unendlich verfügbar und setzt beim Verbrennen nur ein Viertel des Kohlendioxides (CO2) frei, das es beim Wachsen aus der Atmosphäre gefiltert hat. Die anfallende Asche kann wiederum als Dünger ausgebracht werden, insofern sie nicht von Schadstoffen belastet ist. Für Holz sind keine langen Transportwege nötig, zudem steht es anders als Wind rund um die Uhr zur Verfügung.

Wer den Treibhauseffekt bekämpfen und CO2 einsparen will, kommt am Holz nicht vorbei. Dies hat auch die rot-grüne Bundesregierung erkannt und die Biomasse 1999 der Windkraft gleichgestellt: Für jede Kilowattstunde Strom aus Biomasse werden nach dem Energie-Einspeisungsgesetz 17 bis 20 Pfennig vergütet.

Überall in Deutschland lassen sich bereits Privatpersonen oder Initiativen finden, die Holzheizwerke für ein Haus, eine Wohnsiedlung oder eine kommunale Einrichtung realisiert haben. Diese Kleinanlagen liefern jedoch keinen Strom sondern ausschließlich Heizwärme. Vorreiter in dieser Region ist das Forstamt Bad Schwalbach. Dessen Amtsleiter Martin Küthe suchte ursprünglich nach einem sinnvollen Einsatz für kaum verkäufliches Restholz, das bei der Waldpflege in großen Mengen anfällt. Mittlerweile sind in Zusammenarbeit mit dem Energiedienstleistungszentrum Rheingau-Taunus in der Umgebung drei Holzheizwerke entstanden. In Hünstetten-Wallrabenstein wird seit zwei Jahren eine Gesamtschule beheizt, in Heidenrod das Feuerwehrgeräte- und das Dorfgemeinschaftshaus, und in Hohenstein-Breithardt gehen in diesen Tagen zwei Schulen und eine Turnhalle ans Netz. Diese Anlagen erreichen zusammen eine Leistung von 1200 Kilowattstunden in der Spitze.

Mit 14 000 Kilowatt (14 Megawatt) würde das auf der Mülldeponie in Wicker geplante Holzheizkraftwerk in eine ganz andere Dimension vorstoßen. 60 Millionen DM will die Mannheimer MVV Energie zusammen mit der KKM Wertstoffsortiergesellschaft (Knettenbrech, Kilb und Meinhardt) und der dem Kreis gehördenden Main-Taunus-Recycling GmbH investieren. Die Anlage soll nach Angaben von MVV-Sprecher Heinz Egermann bis Ende 2003 stehen und dann jährlich 96000 Tonnen Holzhackschnitzel

Strom für 40000 Menschen

verbrennen. Etwa 40000 Menschen könnten so mit umweltfreundlichem Strom versorgt werden. Eine ähnliche Anlage sei bereits im bayerischen Kurort Ruhpolding in Betrieb, betont Egermann. In Kombination mit Kraft-Wärme-Kopplung könnten Wirkungsgrade von weit über 80 Prozent erreicht werden.

Nach Angaben des MVV-Sprechers fehlt für das Projekt in Wicker noch die abschließende Genehmigung, aber die Betreiberin der Deponie, eine Tochterfirma des Main-Taunus-Kreises, habe bereits mit dem Bau einer Altholzaufbereitungsanlage begonnen. Die Anlage soll behandelte Altmöbel und Resthölzer aus der Industrie aufbereiten, die früher deponiert wurden, praktisch kostenlos geliefert werden und deshalb den Löwenanteil bei der Verbrennung ausmachen.

Aber auch die lokalen Förster hoffen auf die Holzverbrennung als Zusatzgeschäft. Im Forstamt Chausseehaus, das für ein 7500 Hektar großes Revier zwischen Eiserner Hand, Platte, Hohe Wurzel, Taunusstein und Niedernhausen zuständig ist, hat man größte Probleme, jährlich gut 7000 Tonnen Buchenholzreste abzusetzen. „Die Preise für minderwertiges Holz liegen oft unterhalb der Kostendeckungsgrenze“, klagt der zuständige Amtsleiter. „Da sind wir an der Holzverbrennung natürlich interessiert.“

Auch von Naturschützern kommt kein Veto. „Wir sehen die größten Potenziale zwar bei der Einsparung von Energie, ansonsten befürworten wir die Verwendung von Biomasse, wenn etwa auf kurze Transportwege geachtet wird“, sagt Professor Klaus Traube vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Bei der Verbrennung anfallende Schadstoffe seien unproblematisch, insofern belastetes Holz von vorne herein aussortiert und ein entsprechender Filter eingebaut werde.

Hintergrundinformationen gibt es beim Biomasse-Infozentrum, Hessbrühlstraße 49a, 70565 Stuttgart, Tel. 0711/78139-08, www.biomasse-info.net; Ansprechpartner für kleine Projekte in der Region und für Fördermöglichkeiten ist das Energieberatungszentrum Rheingau-Taunus EBZ, Tel. 06722/900-219, www.ebzev.de