Handelsblatt 22./23. März 2002
LESERBRIEFE zu "Windiges Geschäft"

Windkraftindustrie schreckt vor nichts mehr zurück

Offenbar glaubt die Windkraftindustrie, die deutsche Öffentlichkeit jetzt ökologisch so weit sturmreif diskutiert zu haben, dass sie nicht zurückschreckt, auch die utopischsten Projekte ohne Rücksicht auf die Kosten zu planen und nach deren Bau von den Steuerzahlern finanzieren zu lassen. Die Entwicklung in Dänemark sollte allerdings zu denken geben. Zu Zeiten der ideologisch begründeten Politik des sozialdemokratischen Premierministers Svend Auken wurden in den letzten neun Jahren 6400 Windräder gebaut. Dänemark produziert derzeit 13 Prozent seines Stroms aus Windkraft.

Nach dem Erscheinen des Buches des dänischen Statistikprofessors Björn Lomborg "The Sceptical Environmentalist", in dem auf Grund amtlicher Zahlen vorgerechnet wurde, dass Windstrom dreimal so teuer ist wie Normalstrom und dass das Kyoto-Abkommen unwirksam sei, da reine Ressourcenverschwendung, zieht die neue bürgerliche Regierung die Notbremse. Es ist vorgesehen, dass drei geplante Windparks mit einem Investitionsvolumen von fünf Milliarden dänischen Kronen nicht mehr gefördert werden, was der dänischen Regierung jährlich 900 Millionen Kronen Ausgaben erspart. Eine Krone entspricht etwa 0,13 Euro. Ab 2004 werden keine neuen Windkrafträder mehr gefördert.

Die neue dänische Regierung will sich auf die Förderung der Konkurrenzfähigkeit der Industrie und weniger auf ein grünes Image konzentrieren. Der Wirtschaftsminister sagte in einem Interview vom 11. Februar 2002, dass Elektrizität aus Windkraft zu teuer für die dänische Industrie sei und ihre Wettbewerbsfähigkeit behindere. Dänemark hat inzwischen einen Rabatt von 20 Prozent auf seine Kyoto-Vorgaben bei der EU ausgehandelt.

In Deutschland soll es jetzt aber erst so richtig losgehen mit der Förderung von Windkraft und erneuerbarer Energie. Die Grünen wollen bis zum Jahr 2050 gar 80 Prozent der Stromerzeugung aus nicht fossilen Brennstoffen erzielen. Trittin und das Umweltministerium lassen sich bereits jetzt in teuren Hochglanzanzeigen in Nachrichtenmagazinen als Weltmeister im Umweltschutz feiern - natürlich auf Kosten der Steuerzahler. - Bernd Ströher


LESERBRIEF zum selben Handelsblatt-Thema und zur Berichterstattung über den Berliner Grünen-Parteitag, nicht veröffentlicht:

Die Grünen und ihr Wind im Kopf

Fern und fast vergessen sind die Zeiten, als die Grünen noch die Quertreiber der Nation waren und lauthals "Raus aus der Nato, weg mit der Bundeswehr, weg mit den Gefängnissen" riefen. Doch gar nicht so lang ist es her, dass sie "notenfreie Zeugnisse" und "fünf Mark für den Liter Benzin" forderten. Heute geben sie sich nicht mehr giftig grün, sondern nur noch grün. Aber das reicht.
Das Bruttoinlandsprodukt wird gemäß Parteibeschluss zu einem bündnisgrünen "Ökosozialprodukt" - mit Öko/WindWatt-Gewerbeparks auf See, auf dem Lande und in der Stadt. Alles öko, das trifft genau den Geschmack von Trittins grünen und roten Gefolgsleuten, der grün-roten AufWind GmbH & Co KG. Doch wo Aufwind oder Öko draufsteht, ist oft mehr heiße Luft als Öko drin. Beweis: Immer mehr, immer schneller, immer höhere Windkraftanlagen werden mitten in die Landschaft und den Bürgern vor die Nase gesetzt. Am 31.12.2000 waren es genau 9.375 Windräder, die sich in Deutschland drehten oder nicht drehten, ihre Riesenflügel wegen des schwächelnden Windes schlapp nach unten fallen ließen. Ihr Anteil an der gesamten Stromerzeugung betrug magere 1,6 Prozent, so steht's im FISCHER WELTALMANACH 2002 auf Seite 1209.

Natürlich sprechen darüber Deutschlands Wind"park"betreiber und Wind"kraft"anlagen-Bauer wie Deutschlands Grüne und grüne Politiker nicht. Nachhaltig und unisono vertreten sie lieber mit Power und Repower (Repowering ist demnächst "dudenrein") ihre Prognosen, die um zig Prozent höher liegen als die reine kalte ökonomische Wahrheit. Aber vor wenigen Wochen, am 31.12.2001, Bestand 11.500 Wind"kraft"anlagen, übertraf sogar die Ergebnisrechnung die Prognoserechnung. Schon 2001, so der Bundesverband WindEnergie (BWE), habe der Beitrag der Windenergie zur Stromerzeugung 3,5 Prozent betragen, die installierten Megawatt entsprächen der Leistung von sieben Atomkraftwerken, 35.000 Beschäftigte, "fast so viel wie in der Atomindustrie", zähle die Windbranche, der "Naturstrom" böte üppige Renditen. Jede Menge vom Wind aufgeblähte Zahlen und Angaben, mehr Schein als Sein, mehr Mache als Sache.

Und/oder je nach Bedarf "Vom Winde verweht", wenn wie beispielsweise in Windischeschenbach der Blick in die Vergangenheit geht. 1998 sang die "Neue Energie", das Dextroenergen eines jeden Windmüllers, ein hohes Lied auf die oberpfälzische Stadt, "die den Wind im Namen zu Recht trägt", doch 2000 war keine Rede mehr davon: Die zwei Jahre alten Giganten aus Stahl und Beton wurden wegen zu geringer Windausbeute abgebaut. Nach den Prognosen hätten sie jährlich 1,9 Millionen Kilowattstunden Strom liefern sollen, doch in Wirklichkeit wurde noch nicht einmal die Hälfte der vorhergesagten Windstrommenge ins Netz eingespeist. Weg sind die beiden "Wahrzeichen der Region", das Fremdenverkehrsgewerbe freut sich, aber weg sind auch die 110.000 Mark Landesmittel, die das Regensburger Planungsbüro aus Bayerns Staatssäckel kassiert hat.

So ist nun einmal das Leben unter Deutschlands hoch subventionierten Propellern: Wer im Regen steht, wird noch längst nicht nass. Wenn da angesichts der "Windmühlenparks im Meer", wie der Autor des Berichts "Windiges Geschäft" schreibt, "rund um Nord- und Ostsee bereits Goldgräberstimmung herrscht", kann nicht verwundert sein. Höchstens die Kurdirektoren der Badeorte, denen Niedersachsens grüne Grüne, Hannovers grüne Rote und des Landes grüne Gelbe von der Küste bis zum Harz einen blühenden Öko-Tourismus prophezeien.
Jochen Schmidt

Handelsblatt Seite R 4, 22. Mai 2002

>> Schröder und Stoiber fehlt Profil
Handelsblatt Nr. 86 vom 6.5.2002

Politik und Wirtschaft fehlt die langfristige Strategie

Rolf-E. Breuer von der Deutschen Bank erinnert mich mit seinem Interview an unsere derzeitige Regierung: auf internationalen Konferenzen durchaus Vernünftiges sagen, zu Hause aber das Gegenteil tun! So ist die Unsicherheit in vielen deutschen Konzernen groß. Anstelle von langfristigen Strategien hechelt man kurzfristigen Trends hinterher und belauert angstvoll die Konkurrenz. Strategien und Visionen, die den Mitarbeitern und der Öffentlichkeit vorgestellt werden, Wertsteigerungsprogramme und Strukturmaßnahmen "für das neue Jahrtausend" haben oft nur wenige Monate überlebt. So wurde die "zukunftsweisende Struktur für Vorstand und Unternehmen" der Deutschen Bank bereits einige Monate später dem Reißwolf übergeben, um dann die Struktur der Commerzbank zu kopieren. Aber bereits Ende 2001 tritt die Deutsche Bank erneut mit einem "tief greifenden Umbruch, der mit vielen Traditionen breche", an die Öffentlichkeit. Die vorläufig letzte Veränderung ist die im Frühjahr 2002 angekündigte Reintegration der Deutschen Bank 24.
Jeder sollte sich einmal selbst die Frage beantworten, wie die meines Erachtens zwangsläufigen Auswirkungen auf die Mitarbeiter aussehen, die den einen Strategiewechsel vielleicht gerade halbwegs verinnerlicht haben und dann schon wieder vom nächsten überrascht werden. Die Herren Breuer und Schröder haben ein hohes Maß an Gemeinsamkeit: Beiden fehlen Redlichkeit, Glaubwürdigkeit und damit natürlich auch Profil. Bei Herrn Stoiber sollte man dagegen mit einem Urteil zuwarten: Selbst in dieser Zeit sind ja positive Überraschungen nicht ausgeschlossen.
Friedrich Karl Oberbeckmann, Düsseldorf


Handelsblatt Seite R 4, 22. Mai 2002

>> EU liefert Stoiber Wahlmunition"
Handelsblatt Nr. 80 vom 25.4.2002

Bundeskanzler Schröders Politik verdient Zensur "mangelhaft"

Wer durch die Innenstädte Deutschlands geht, merkt es auf Tritt und Schritt: viele leer stehende Geschäfte, die auf den nächsten Mieter warten. Oft Monate lang. Denn jeder fürchtet, dass ihn das gleiche Schicksal wie den Vorgänger ereilt.
Das Wahljahr wird zum Pleitenrekordjahr: Rund 40.000 Firmenpleiten (darunter der Einzelhandel mit einem Löwenanteil!) sowie 30.000 Fälle von Zahlungsunfähigkeit bei Verbrauchern werden erwartet. Das trifft den Einzelhandel und die vielen mittelständischen Handwerks- und Industriebetriebe ins Mark. Wegen ihrer Kundennähe geben die Mittelständler die wahre "Stimmung" im Lande wieder.
Und diese Stimmung ist so schwarz, wie der Himmel rot-grün ist. Das merken auch die Berater des Kanzlers, die nach dem freien Fall der SPD in Sachsen-Anhalt, dem "Magdeburger Fenstersturz", den Bürgern die Angst vor noch mehr Rot nehmen wollen. So lautet des Bundeskanzlers griffige Formel für den 22. September: Die PDS wird ausgeschlossen - und Edmund Stoiber abgeschossen. Doch fraglich ist, ob Gerhard Schröder Wilhelm Tell ist... und den Apfel trifft. Man denke an die Frühjahrsprognose der EU-Kommission:
1. Volkswirtschaftliches Wachstum: Deutschland ist Schlusslicht in Europa.
2. Staatsdefizit: letzter Platz.
3. Jahresdurchschnittliche Arbeitslosigkeit: über der Vier-Millionen-Marke.
4. Erholung der deutschen Wirtschaft: nicht absehbar.

"Ein Mal daneben ist kein Mal daneben", sagte früher mein Geschichtslehrer verzeihend, wenn ich wiederholt die Ziffern einer Jahreszahl verdreht hatte. "Aber zwei Mal sind zwei Mal, und drei Mal sind drei Mal", fügte er hinzu und gab mir die Zensur, die ich - ganz wie der Kanzler - nicht wollte: mangelhaft.
Jochen Schmidt, Winsen/Aller