Santona-Urteil (2.8.1993)

Leybucht-Urteil (28.2.1991, EuGH)

Anwendung der FFH-Richtlinie unabhängig von ökonomischen Kriterien

Verurteilung des Königreiches Niederlande am 19.Mai 1998 vom EuGH

Das Lappel-Bank-Urteil

"Mühlenberger Loch"

Basses Corbières Urteil (7.12.2000)


Santona-Urteil (2.8.1993)

In den Marismas von Santona (Königreich Spanien) sollten Vorhaben ausgeführt werden, die eine erhebliche Beeinträchtigung der dort lebenden Vögel zur Folge haben würden. Dagegen hat die EU-Kommission Klage erhoben. Das Königreich Spanien sei danach seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, die Flächen als besonderes Vogelschutzgebiet auszuweisen, und habe keine Maßnahmen getroffen, zerstörte Biotope wieder herzustellen und Belastungen und Beeinträchtigungen der Lebensräume in diesem Gebiet zu verhindern.

Der Gerichtshof entschied, dass die Nichtausweisung einen Verstoß gegen die Richtlinie darstellt, und dass sich der betroffene Mitgliedsstaat so behandeln lassen muss, als ob er das Gebiet ausgewiesen hätte. Bei der Festlegung der Schutzgebiete findet keine Abwägung der Schutzinteressen mit beliebigen anderen Interessen statt. Nur Interessen der Allgemeinheit, die dem Schutzinteresse der Richtlinie selbst übergeordnet sind, können berücksichtigt werden. Zu solchen übergeordneten Interessen zählen die der Wirtschaft und Erholung nicht.

Der Gerichtshof erklärte alle Projekte, die zu einer Verringerung der Qualität und Quantität des Gebietes führen, als unvereinbar mit der Vogelschutzrichtlinie (z.B. Straßenbau, Einleitung von Abwasser). Damit wird an das Leybucht-Urteil (siehe unten) angeknüpft. Es wird ausgeweitet von der Verringerung ausgewiesener Schutzgebiete auf den Fall der Unterschutzstellung bislang nicht geschützter Gebiete. Damit werden der Möglichkeit, eine Unterschutzstellung zu unterlassen oder wieder aufzuheben oder ein bereits (oder noch nicht) unter Schutz gestelltes Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, sehr enge Grenzen gesetzt, nämlich derart, dass wirtschaftliche und soziale Interessen den Belangen des Naturschutzes nicht mehr vorgezogen werden dürfen. Dies gilt selbst dann, wenn die wirtschaftlichen und sozialen Interessen öffentliche Interessen sind.


Leybucht-Urteil (28.2.1991, EuGH)

Die BRD hat in einem besonderen Vogelschutzgebiet (SPA) – in der im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer gelegenen Leybucht – Eindeichungsmaßnahmen beschlossen und durchgeführt. Die EG-Kommission hatte dagegen Klage erhoben und der EuGH wie folgt geurteilt: Die Mitgliedsstaaten dürfen ein besonderes Schutzgebiet nach Vogelschutzrichtlinie flächenmäßig nur verkleinern, wenn dafür außerordentliche Gründe des Allgemeinwohls vorliegen. Wirtschaftliche oder freizeitbedingte Gründe kommen hierfür nicht in Betracht, sondern lediglich Gründe für Leib, Leben und Sicherheit. Da die Überschwemmungsgefahr und der Küstenschutz solche Gründe des Allgemeinwohls darstellen, wurde die Errichtung des Deiches zugelassen, unter der Bedingung einer Beschränkung auf das Allernotwendigste.


Anwendung der FFH-Richtlinie unabhängig von ökonomischen Kriterien

Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) Philipe Leger hat angekündigt, dass in Zukunft die Entscheidung, ob ein Gebiet Teil des Natura 2000 Netzwerkes werden soll, unter Ausschluss ökonomischer Kriterien getroffen wird. Einziges Kriterium sei das Vorhandensein gefährdeter Habitate oder Arten. Der oberste Gerichtshof von England und Wales hatte beim EuGH um eine Klärung der diesbezüglichen Formulierung in Artikel 8 der FFH-Richtlinie gebeten, um den gerichtlichen Streit der britischen Regierung mit dem Hafenbetreiber von Bristol um die Ausweisung besonders geschützter Gebiete (SPA) im Ästuar zu entscheiden. Die juristische Interpretation dieses Passus der FFH-Richtlinie, der sich auf ökonomische Belange bezieht, spielt auch in vielen Streitfällen in Deutschland eine Rolle.[vgl. Urteil des 4. Senats vom 27. Januar 2000 - BVerwG 4 C 2.99]


Verurteilung des Königreiches Niederlande am 19.Mai 1998 vom EuGH

Das Königreich Niederlande hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 79/409 EWG (Vogelschutzrichtlinie) des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten verstoßen, dass es Gebiete zu besonderen Schutzgebieten erklärt hat, deren Zahl und Gesamtfläche offensichtlich unter der Zahl und Gesamtfläche der Gebiete liegen, die geeignet sind, zu besonderen Schutzgebieten im Sinne von Artikel 4, Absatz 1 dieser Richtlinie erklärt zu werden.

Ein Mitgliedsstaat ist gemäß Art. 4 Abs. 1 Vogelschutz-RL verpflichtet, Vogelschutzgebiete auszuweisen. Diese Verpflichtung kann nicht durch andere besondere Schutzmaßnahmen umgangen werden.

Die in Art. 2 der Vogelschutz-RL genannten wirtschaftlichen Erfordernisse dürfen bei der Auswahl der Abgrenzung eines Schutzgebietes nicht berücksichtigt werden.

Der Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bei der Auswahl der Gebiete bezieht sich nicht darauf, nur diejenigen Gebiete unter Schutz zu stellen, die nach ornithologischen Kriterien am geeignetsten erscheinen, sondern nur auf die Anwendung der Kriterien auf die Bestimmung der Gebiete. Weist ein Mitgliedstaat zahlen- und flächenmäßig nur Gebiete aus, die offensichtlich unter der Zahl der Gesamtfläche der geeigneten Gebiete liegen, verstößt er gegen die Vogelschutz-RL.


Das Lappel-Bank-Urteil

Das Vereinigte Königreich hat bei der Ausweisung der Medway-Mündung und -Sümpfe als besonderes Schutzgebiet nach Vogelschutzrichtlinie 1993 das Gebiet der Lappel-Bank - ein bedeutender Bestandteil dieses gesamten Flussmündungssystems - nicht mit in die Meldungen als Vogelschutzgebiet mit einbezogen, mit der Begründung, dass das Gebiet gleichzeitig das einzige Erweiterungsgebiet für den fünftgrößten Hafen Großbritanniens sei. Dagegen erhob die Royal Society for the protection of Birds Klage. Der EuGH wurde vom zuständigen Gericht um Beantwortung von Fragen zur Auslegung der Richtlinie gebeten. Dieser hat unter Bezug auf das Santona-Urteil folgende Entscheidung getroffen: Bei der Auswahl und Abgrenzung eines besonderen Schutzgebietes gemäß Art. 4 Vogelschutzrichtlinie dürfen wirtschaftliche Erfordernisse nicht berücksichtigt werden. Wirtschaftliche Gründe gelten hier nicht als Gründe des Gemeinwohls. Auch wirtschaftliche Erfordernisse, die zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses darstellen, dürfen bei der Auswahl und Abgrenzung eines besonderen Schutzgebietes nicht berücksichtigt werden.


"Mühlenberger Loch"

Der Ausbau einer Fabrikanlage der DASA-Gruppe im Naturschutzgebiet Mühlenberger Loch (Hamburg) kann nach Ansicht der Kommission durch zwingende Gründe des überwiegend öffentlichen Interesses gerechtfertigt werden.

Das Mühlenberger Loch ist ein Feuchtgebiet von mehr als 700 ha und erstreckt sich längs der Elbe auf dem Gebiet von Hamburg. Es handelt sich im Sinne der FFH-RL und Vogelschutzrichtlinie um einen Standort von gemeinschaftlichen Interesse, an dem nicht nur mehrere Vogelarten sondern auch Pflanzen sowie Lebensräume zu finden sind, die in den Anhängen der FFH-RL zu finden aufgeführt sind. Deutschland hat darüber hinaus dieses Gebiet als Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung ausgewiesen.

Treten – wie beim Mühlenberger Loch – prioritäre Arten auf, muss die Kommission in einer Stellungnahme prüfen, ob das Vorhaben tatsächlich durch zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses gerechtfertigt ist. Das Vorhaben zum Ausbau der DASA-Anlage hätte negative Auswirkungen auf das Schutzgebiet, da durch würden Aufschüttung des Feuchtgebietes rund 20 Prozent des Standortes zerstört würden.

Nach Ansicht der deutschen Regierung gibt es in Deutschland keine Alternative für dieses Vorhaben.

Die Kommission ist der Meinung, dass das Vorhaben von übergeordnetem öffentlichen Interesse sei, wofür sie soziale (Arbeitsplätze), wirtschaftliche (Konkurrenz) und technologische Gründe (Innovation) anführt. Das Vorhaben stärke die Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten der EU. Diese Gründe würden stärker wiegen, als jene des Naturschutzes.

In der Richtlinie ist für solche Fälle vorgesehen, dass der betreffende Mitgliedstaat alle notwendigen Augleichsmaßnahmen ergreift, damit die globale Kohärenz des Netzes Natura 2000 gewährleistet ist. Da Deutschland seinen Meldeverpflichtungen noch nicht vollständig nachgegangen sei, könne die Kommission noch nicht mögliche Ausgleichsmaßnahmen beurteilen.

Quelle bei Sylvia Voß: Ausgewählte aber wichtige Urteile und Entscheidungen im Kontext der FFH-Richtlinie


Strukturfondsgelder und Europäischer Naturschutz

Die Meldung, der Bundesrepublik würden durch die Europäische Kommission Strukturfondsgelder gestrichen, hat für Beunruhigung in den Bundesländern gesorgt. Zum Hintergrund: In einem Schreiben vom 23.06.1999 an die deutsche Regierung hatten die damaligen europäischen Kommissare Wulf-Mathies und Bjerregaard darauf hingewiesen , dass Strukturfondsprogrammen durch die Gemeinschaft nur finanziert würden, wenn die Länder bei der Übermittlung der Programmplanungsdokumente für die Planungsperiode der eEuropäischen Strukturfonds (2000–2006) die Vogelschutzrichtlinie und die Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie berücksichtigen. Bisher ist sei Deutschland der Pflicht, Flora-Fauna-Flora-Habitat-Gebiete (FFH) an die Europäische Kommission zu melden, nicht ausreichend nachgekommen. Wenn die entsprechenden Meldungen nicht abgeschlossen seien, könne die Kommission nicht beurteilen, ob die neuen Strukturfondsprogramme mit dem geltenden Gemeinschaftsrecht vereinbar seien.

Die Umweltkommissarin Wallström hat diesen Standpunkt bekräftigt, dass die Auszahlung der Strukturfondsgelder unbedingt an die abschließende Meldung der FFH-Gebiete gezu knüpfent ist. Erstmals wird deutlich, dass europäisches Recht unmittelbar geltendes Recht ist und von der EU mit den ihr zustehenden Mitteln durchgesetzt wird.

Was hat Umweltminister Trittin unternommen?

Die Bundespolitik hat auf den Naturschutz in den Ländern und damit auf die Meldungen von FFH-Gebieten keinen direkten Einfluss. Naturschutzpolitik ist gemäß Artikel 75 Grundgesetz alleinige Angelegenheit der Länder, dem Bund obliegt die Rahmengesetzgebung. Das Bundesumweltministerium hat deshalb nach der Meldung der Gebiete durch die Länder lediglich eine Bestandsaufnahme sogenannte Benehmensherstellung nach §19b Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz durchzuführen und meldet dann die Gebiete nach Brüssel weiter.

Der Bundesumweltminister hat die Bundesländer wiederholt aufgefordert, die erforderlichen Gebietsmeldungen zügig abzuschließen, um die Gefahr einer Blockierung der für dringende Strukturverbesserungen benötigten Gelder abzuwenden. Die Brüsseler Seite hat zugestanden, die für Deutschland vorgesehenen Mittel nicht pauschal zu sperren, sondern die FFH-Meldungen länderspezifisch zu bewerten. Damit haben die Länder es selbst in der Hand, die Auszahlung der Finanzmittel aus den Strukturfonds zu sichern.

Mit seinem Engagement und dem Verhandlungserfolg in Brüssel hat der Umweltminister einen wichtigen Beitrag dafür geleistet, dass eine gerechte Beurteilung der Länder erfolgt und Sanktionen nur jene treffen, die mit ihren Meldungen im Rückstand sind.

Was haben die Strukturfonds mit der FFH-Richtlinie zu tun?

Für FFH-Gebiete gilt ein sogenanntes Verschlechterungsverbot. Das heißt, bei Projekten und Plänen ist laut Richtlinie zu prüfen, ob das entsprechende Vorhaben für das Gebiet verträglich ist. Wenn es zu deutlichen Verschlechterungen kommt, ist das Projekt in dieser Form nicht zulässig. In diesem Fall müssen Alternativen geprüft und Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen vorgeschlagen werden. Die EU-Kommission will nun zu Recht erst dann Gelder für Strukturmaßnahmen zur Verfügung stellen, wenn geklärt ist, ob diese Maßnahmen nicht auf einer FFH-Fläche durchgeführt werden sollen. Zunächst soll deshalb die Planungsgrundlage für Projekte geschaffen werden, also der Status eines potenziellen Baugebietes geklärt werden. Darüber hinaus haben Strukturfonds-Gelder inhaltlich mit der FFH-Richtlinie nichts zu tun.

Durch die verspäteten Meldungen riskieren die Länder zusätzlich, dass ihnen Mittel aus Umweltförderprogrammen nicht gewährt werden. Gemeint ist hier das sogenannte LIFE-Programm der EU. Die neue Förderungsrunde ist mittlerweile die dritte Auflage dieses Programms, das sich aus drei Bereichen zusammen setzt: LIFE-Natur, LIFE-Umwelt und LIFE-Drittländer. LIFE-Natur ist dabei das europäische Finanzierungsprogramm für die Erfüllung der FFH-Richtlinie – 47 Prozent des LIFE-Etats fließen in dieses Programm. Die offizielle Rechtsgrundlage für LIFE III wurde in der dritten Februarwoche 2000 im europäischen Parlament verabschiedet.


Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:

Sylvia Voß MdB
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
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