Neuregelung des Abstandes von Windenergieanlagen zur Wohnbebauung

In seiner Dezember-Sitzung hat der Niedersächsische Landtag einen Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD und Grünen verabschiedet, in dem die Landesregierung gebeten wird, den bisher regelmäßig unzureichenden Abstand von Windenergieanlagen zur Wohnbebauung zu überarbeiten. Dieser Abstand sollte nach dem Beschluss des Landtages zukünftig mindestens 1.000 Meter betragen.

Inzwischen hat das zuständige Ministerium für ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz diesen Beschluss umgesetzt.

Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Postfach 243, 30002 Hannover

an die Träger der Regionalplanung
über die Bezirksregierungen


Nachrichtlich: Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände
Niedersachsens
z. Hd. des Nds. Städte- und Gemeindebundes
Arnswaldstr. 28
30159 Hannover

26.1.04

Raumordnung; Empfehlungen zur Festlegung von Vorrang- oder Eignungsgebieten für die Windenergienutzung Bezug: RdErl. d. MI vom 11.07.1996, Az. 39.1-23246/8.4
In Ausfüllung der Entschließung des Niedersächsischen Landtages vom 12.12.2003, mit der die Landesregierung aufgefordert wurde, geeignete Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, die eine Entscheidungsfindung bei der Festlegung von Abständen zu Windenergieanlagen erleichtern, gebe ich nachfolgende Empfehlungen für die vorsorgende Standortplanung der Windenergienutzung in der Regionalplanung.
Diese Empfehlungen richten sich an die Träger der Regionalplanung.
Über die materiellen Vorgaben anderer Fachgesetze hinaus können auf der Grundlage des § 35 Baugesetzbuch (BauGB) zusätzlich Aspekte der Vorsorge (abwägungsfähige und berücksichtigungspflichtige öffentliche Belange) durch Festlegungen als Ziele der Raumordnung in die Genehmigungsvoraussetzungen eingebracht werden.

Der Planvorbehalt des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ermöglicht für die gem. § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB im Außenbereich privilegiert zulässigen Windenergieanlagen eine raumordnerische Koordinierung der Standorte und zugleich einen Ausschluss an anderer Stelle im Plangebiet. Für den jeweiligen Planungsraum des Trägers der Regionalplanung bietet die Festlegung von Vorrang- oder Eignungsgebieten für die Windenergienutzung gem. Ziffer C 3.5.05 Abs. 4 Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen (LROP) die Möglichkeit, raumbedeutsame Windkraftanlagen auf dafür geeignete Flächen zu konzentrieren, andere Flächen davon freizuhalten und andere bestehende oder geplante Nutzungen vor Beeinträchtigungen, die von Windkraftanlagen ausgehen können, zu schützen. Hierzu zählen insbesondere Auswirkungen auf Wohnnutzungen, z.B. durch Lärm und Schlagschatten, oder auf Erholungsfunktionen, z.B. durch Beeinträchtigung des Landschaftsbildes.
Die Ausschlusswirkung gem. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB kann nur erzielt werden, wenn der raumordnerischen Festlegung ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage von Eignungs- und Ausschlusskriterien in Abhängigkeit von den raumbedeutsamen Gegebenheiten und regionalen Entwicklungszielen zu Grunde liegt. Die allgemeinen Anforderungen an ein planungsrechtliches Abwägungsgebot müssen dabei erfüllt sein. Für den gesamten Planungsraum ist zu prüfen, welche Flächen für die Windenergienutzung geeignet sind, welche Flächen als Vorrang- oder Eignungsgebiet in Regionalen Raumordnungsprogrammen (RROP) in Frage kommen und welche ausgeschlossen werden sollen.

Die besondere Gewichtung der Windenergienutzung, die der Gesetzgeber durch den Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 3 BauGB geschaffen hat, zwingt nicht dazu, jede Fläche, die grundsätzlich für die Windenergienutzung geeignet erscheint, als Vorrang- oder Eignungsfläche festzulegen. Die jeweilige Entscheidung ist auf der Grundlage sachgerechter Abwägung im Einzelfall zu treffen. Sowohl die Auswahl wie auch die jeweils vorgenommene Abgrenzung der Vorrang- oder Eignungsgebiete gegenüber anderen, insbesondere schützenswerten Nutzungen und Raumfunktionen ist nachvollziebar zu begründen. Der alleinige Hinweis auf einen politischen Beschluss wird den Anforderungen, die an das planungsrechtlichen Abwägungsgebot zu stellen sind, nicht gerecht.
Voraussetzung für das Wirksamwerden der Ausschlusswirkung ist, dass innerhalb des Planungsraumes mindestens ein Vorrang- oder Eignungsgebiet festgelegt ist, für das unter objektiven Gesichtspunkten eine Windenergienutzung möglich ist. Dies schließt z.B. die generelle Festlegung einer Höhenbegrenzung auf nicht marktübliche Größen von Windenergieanlagen aus.

Es empfiehlt sich, bei der Entscheidungsfindung im Rahmen des Abwägungsvorgangs zu Gebieten mit Wohnbebauung von einem Mindestabstand von 1000 m auszugehen und von 5000 m zwischen den einzelnen Vorrang- oder Eignungsgebieten. Die festgelegten Abstände müssen sich im Einzelfall aus dem Schutzbedürfnis angrenzender Nutzungen und Raumfunktionen begründen. Da dieses in Abhängigkeit von den raumdeutsamen Bedingungen unterschiedlich gewichtet werden kann und die technischen Merkmale der in den festgelegten Gebieten möglichen Anlagen zur Windenergienutzung variieren, ist die allgemeinverbindliche Festlegung von Abstandsregelungen für die raumordnerische Standortvorsorge nicht sachgerecht und dem raumordnerischen Abwägungsgebot der Regionalplanung nicht angemessen.
Bei der Festlegung von Vorrang- oder Eignungsgebieten für die Windenergienutzung ist die technische Weiterentwicklung der Anlagen und damit einhergehend eine Vergrößerung der Anlagen mit entsprechend weitergehenden Auswirkungen zu berücksichtigen. Soweit dies bei den bereits festgelegten Vorrangflächen nicht erfolgt ist, sollten die Standorte daraufhin überprüft werden. Ferner sollte überprüft werden, ob und ggfs. in welchem Ausmaß sie für Repowering in Frage kommen. Entsprechend den Prüfergebnissen sind die RROP anzupassen.

Festlegungen in den RROP gelten fur für raumdeutsame Windenergieanlagen. Die Frage, ab wann eine oder mehrere Windenergieanlagen raumbedeutsam sind, lässt sich nicht durch eine bestimmte Anzahl oder Höhe definieren. Entscheidend ist die Gesamtwirkung, so z.B. nicht nur die statische Anlagen sondern auch der Einbezug der drehenden Rotorblätter. Die Frage, ob eine Windenergieanlage raumdeutsam ist, wird im Genehmigungsverfahren für dei einzelne Anlage entschieden (vgl. hierzu Verwaltungsvorschriften zum Niedersächsischen Gesetz über Raumordnung und Landesplanung, RdErl. d. ML vom 07.07.03).

Bei der Planung von Vorrang- oder Eignungsgebieten für Windenergie in den RROP sollte eine frühe Einbeziehung der Öffentlichkeit erfolgen. Zur Beteiligung der Öffentlichkeit an der Aufstellung von Raumordnungspländen verweise ich auf meinen Erlass vom 12.08.2003, Az. 302-20002. Die im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung vorgebrachten Anregungen oder Bedenken sind ebenso wie die der Beteiligten gem. § 8 NROG in die Abwägung einzustellen. Eine unzureichende Öffentlichkeitsbeteiligung und nicht sachgerechte Abwägung führen regelmäßig zur Unwirksamkeit der Zielsetzungen. Aus der Begründung zum RROP muss die Erfüllung dieser Anforderungen ersichtlich sein.

Der Erlass des Nds. Innenministeriums vom 11.07.1996 "Festlegung von Vorrangstandorten für die Windenergienutzung", Az. 39.1-32346/8.4, ist nicht mehr anzuwenden.