An die Verwaltung des
Landkreises Mainz-Bingen

Betrifft die in der Gemarkung von Eimsheim geplanten Windindustrieanlagen


Sehr geehrter Herr Landrat Schick,
sehr geehrte Damen und Herren,

wie heute (am 29.10.2001) in der Allgemeinen Zeitung zu lesen ist, hat Frau Mittenzwei die Presse offensichtlich falsch informiert. Wir möchten Sie daher auf die zutreffenden Tatsachen und Zusammenhänge aufmerksam zu machen.

Gemäß § 26 des seit August 2001 in Kraft gesetzten UVPG bestimmt die Überleitungsvorschrift (der Rechtsprechung des EuGH folgend) die Anwendung des Gesetzes auf die im Anhang 1 genannten Vorhaben, für die

  1. "der Träger eines Vorhabens einen Antrag auf Zulassung des Vorhabens, der mindestens die Angaben zu Standort, Art und Umfang des Vorhabens enthalten muss, vor dem 14. März 1999 bei der zuständigen Behörde eingereicht hat"
    oder
  2. "in sonstiger Weise ein Verfahren nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 vor dem 14. März 1999 förmlich eingeleitet worden ist"

Dies gilt auch für ein Vorhaben, das nicht in der Anlage zu § 3 dieses, aber in dem Anhang II der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABI. EG Nr. L 175 S. 40) aufgelistet ist, wenn von dem Vorhaben insbesondere aufgrund seiner Art, seiner Größe oder seines Standortes erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

Dieses UVP-Gesetz ist lediglich nicht auf Verfahren nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 anwendbar, die vor dem 03. Juli 1988 begonnen worden sind.

Schon bei drei Anlagen zur Nutzung von Windenergie Zwecks Stromerzeugung ist laut Anhang 1 UVPG eine Prüfung des Einzelfalls gemäß § 3c Abs. 1 Satz 2 UVPG vorzunehmen.

Anlage 2 des UVPG gibt die anzuwenden Kriterien vor, auf diese § 3c Abs. 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit § 3e und § 3f, Bezug genommen wird.

Die zuständigen Behörden haben demnach versäumt, den gesetzlichen Forderungen, wie dargelegt, Rechnung zu tragen. Wir stellen aufgrund dieses Versäumnisses fest: Das Verfahren ist mit Mängeln behaftet.

Weitere Versäumnisse:

Vogelschutzrichtlinie
Im Zuge einer UVP ist die Belastbarkeit der Schutzgüter unter besonderer Berücksichtigung von Art und Umfang des ihnen jeweils zugewiesenen Schutzes zu ermitteln. Diese Ermittlung ist hinsichtlich der Vogelschutzrichtlinie und insbesondere in Hinblick auf den Vogelzug unterblieben. In Erfüllung der seit 1979 (!) geltenden Vogelschutzrichtlinie läuft derzeit in unserem Bundesland Rheinland-Pfalz ein Auswahl- bzw. Meldeverfahren für Vogelschutzgebiete. Unser Land hat die Pflicht - ohne Berücksichtigung wirtschaftlicher, politischer oder planerischer Interessen - bei sachgerechter Anwendung der in Anhang III Phase I der Habitat Richtlinie aufgeführten Kriterien alle geeigneten Gebiete zu benennen; dies ist jüngst durch ein Urteil des EuGH bekräftigt worden (C-371/98 vom 7.11.2000). Bis zur endgültigen Entscheidung der Kommission, gilt für "faktische Vogelschutzgebiete" ein Überplanungsverbot. Ob und inwieweit die Eimsheimer Gemarkung oder deren Umgebung als ein "faktische Vogelschutzgebiete" in Betracht kommt, wurde bisher nicht abschließend klärend dargelegt.

Wir weisen Sie darauf hin, daß nach den Vorgaben des Art. 7 der Vogelschutzrichtlinie auch der nationale Gesetzgeber in § 19a Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG die Regelungen des Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-Richtlinie über die Zulässigkeit von Plänen und Projekten für die Vogelschutzgebiete (nach Art. 4 Abs. 1 und 2 Vogelschutzrichtlinie) übernommen hat. Vogelschutzgebiete erlangen den Schutzstatus damit nicht erst mit der Aufnahme in die Liste der EU-Kommission. Für die Europäischen Vogelschutzgebiete hat der EuGH im sog. Santona-Urteil vom 2. August 1993 ausgeführt, daß ein für den europäischen Vogelschutz bedeutsames Gebiet ohne jedes Auswahlermessen unmittelbar den strengen Schutzbestimmungen des Art. 4 Abs. 4 der Vogelschutzrichtlinie unterliegt. Dieser Artikel wirkt somit als grundsätzliches Überplanungsverbot in der Form, daß in faktischen Vogelschutzgebieten Pläne und Projekte nur zulässig sind, soweit sie unmittelbar der Gesundheit oder Sicherheit des Menschen dienen. Wirtschaftliche und soziale Gründe könnten dagegen in keinem Fall eine erhebliche Beeinträchtigung rechtfertigen. Auch der nationale Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, faktische Vogelschutzgebiete diesem Schutzregime zu unterwerfen.

Raumordnungsverfahren:
Das Vorhaben steht den (Nutzungs-)Zielen der Raumordnung entgegen. Weder der derzeit geltende noch der in Planung befindliche Raumordnungsplan sieht Sonderflächen für Windkraftnutzung, diesbzgl. Vorrrang- oder Vorbehaltsflächen vor. Für die fünf geplanten Industrieanlagen muß aufgrund ihrer die Raumbedeutsamkeit von 35 Metern weit übersteigenden Dimensionen eine Raumverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden, bei der unter anderem die von dem Vorhaben ausgehenden Wirkungen auf die Umgebung (Rheintalschutz, Fremdenverkehr, grob unangemessene Verunstaltung des Landschaftsbildes usw.) zu untersuchen ist. - Ergänzend ist zu bemerken, daß die den Behörden vorliegende Schrift "Hinweise zur Beurteilung der Zulässigkeit von Windenergieanlagen" unter Punkt II. 1. die Raumbedeutsamkeit von fünf Anlagen erkannt wird, daß jedoch (von anderen Punkten abgesehen) die Vorschrift in ihren weiteren Ausführungen, insbesondere mit II. 4. gegen Bundesrecht verstößt.

Verunstaltungsverbot
Aufgrund der Gleichartigkeit des vorliegenden Falles möchten wir Sie auf das Urteil vom 12.6.2001 - 10 A 97 des OVG Münster "zur Verunstaltung des Landschaftsbildes durch zwei Windenergieanlagen außerhalb eines förmlich unter Natur- und Landschaftsschutz gestellten Bereichs" aufmerksam machen. Das Urteil stellt eine wiederholt beanstandete mangelnde Ermittlung, insbesondere aber die daraus resultierende fehlerhafte Abwägung der Belange, sowie deren Erheblichkeit - hier Schutzgut Landschaft -, fest, die schon bei Änderung des Flächennutzungsplans (Zwecks Errichtung von Windindustrieanlagen) versäumt wurde. Das OV-Gericht kommt zu dem Ergebnis, daß Windkraftanlagen trotz ihrer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig sind, indem sie (zu ihrer alles und jedes überragenden Größe und der von ihnen ausgehenden Unruhe) eine "technische Überformung" der ländlich geprägten Kulturlandschaft darstellend das Landschaftsbild "grob unangemessen" verunstalten würden.

Gebot der Rücksichtnahme:
Hinsichtlich der nur in 500 Metern zur Wohnbebauung vorgesehen Windindustrieanlage lenken wir Ihre Aufmerksamkeit auf die aktuelle Rechtsprechung. Ihr zufolge wurde ein derart geringer Abstand von überdimensionierten Windindustrieanlagen zu Wohnhäusern als unzumutbar im Sinne des Rücksichtnahmegebotes erkannt. Auch möchten wir Sie auf die Schrift des Bundesamtes für Naturschutz "Projektgruppe Windenergienutzung" hinweisen, in der das Bundesamt folgende Empfehlung ausspricht: "Aufgrund der potentiellen negativen Auswirkungen von Windkraftanlagen, insbesondere auf die biologische Vielfalt und auf die Erholungsfunktion, muss ... sich der Ausbau auf ökologisch und landschaftsästhetisch verträgliche Standorte beschränken. Wahrnehmungspsychologen machen darauf aufmerksam, dass die von Windkraftanlagen ausgehende audiovisuelle Veränderung der Landschaft noch nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht wurde. Bekannt ist, dass die Bewegung der Rotorblätter und das diskontinuierliche Geräusch der Flügelschläge sowie "Einzeltonhaltige Geräusche" zwangsläufig, aufgrund naturgesetzlicher menschlicher Verhaltensweisen, die Aufmerksamkeit erregen und sie im Fall der Erholungssuchenden von Ruhe und Naturgenuss ablenken. Dies kann zu starker Belästigung führen. Ein Gewöhnungseffekt ist auszuschließen."

Abschließend ersuchen wir Sie und die Ihnen unterstellten Behörden im Interesse des Gemeinwohls, dessen Wahrung Ihre vorzügliche Aufgabe ist, die versäumten Verfahrensschritte den gesetzlichen Forderungen gemäß durchzuführen.

  1. Es ist der Nachweis zu erbringen, daß sich in dem Planungsraum oder dessen Umgebung kein faktisches Vogelschutzgebiet befindet, das sich als ein generelles Überplanungsverbot auswirken würde.
  2. Gemäß § 18 Landesplanungsgesetz ist der Vorhabenträger aufzufordern, den Antrag für ein Raumordnungsverfahren zu stellen. Widrigenfalls hat Ihre Behörde das Verfahren von Amts wegen einzuleiten
  3. Aufgrund des exponierten Standortes, der besonderen örtlichen Gegebenheiten, der Art und der Größe der Anlagen sind erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu erwarten. Gemäß § 26 UVPG (gültige Fassung vom Aug. 2001) ist die Umweltverträglichkeit des Vorhabens (5 Anlagen!) in jedem Fall zu prüfen.

Bzgl. der Eingangs erwähnten "Zeitungsente", die möglicherweise auch Redakteur Ehlke verursacht haben könnte, bitten wir Sie, die Allgemeine Zeitung zu einer Richtigstellung zu veranlassen.


In Erwartung Ihrer Stellungnahme(n) verbleiben wir
mit freundlichen Grüßen
Ihre
Bürgerinitiative Rheinhessen-Pfalz
Zwischen Rhein und Donnersberg

29.10.2001


Ingelheim, 8. 11.2001

Betrifft: Windenergieanlage in Eimsheim

Sehr geehrte Frau Fuchs,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 29.10. Bitte entschuldigen Sie, dass bis heute noch keine Antwort eingetroffen ist, aber ein wichtiger Ansprechpartner hier war bis vor kurzem verreist. Ihre Angaben werden derzeit in den zuständigen Fachabteilungen geprüft. Wir rechnen mit einem Ergebnis in etwa 10 Tagen und wollten Sie anschließend einladen in die Kreisverwaltung nach Ingelheim. Bei einem Gespräch  mit den Fachleuten könnte der Sachverhalt besprochen werden, wenn Sie einverstanden sind. Bitte teilen Sie mir mit, ob Sie kommen möchten. Wenn ja, möchte ich Sie um Ihre Telefonnummer bitten, damit wir einen Termin vereinbaren können.

Mit freundlichem Gruß
Stefanie Mittenzwei

Kreisverwaltung Mainz-Bingen
Stefanie Mittenzwei, Pressesprecherin
Georg-Rückert-Str. 11
55218 Ingelheim am Rhein
06132-787166, fax: 787160
presse@mainz-bingen.de


Sehr geehrte Frau Mittenzwei,

danke für Ihre Nachricht.

Unser Schreiben sollte die Kreisverwaltung Mainz-Bingen einerseits auf die für fünf Windrotoranlagen gesetzlich vorgeschriebene UVP hinweisen. In diesem Zusammenhang baten wir um eine Richtigstellung der Angaben in der AZ.

Andererseits sollte unser Schreiben auf weitere Verfahrensmängel bzw. -defizite aufmerksam machen, deren ordnungsgemäße Behebung - geltendem Recht entsprechend - Aufgabe der Kreisverwaltung ist.

Insofern erkennen wir nicht, welchem Zweck die von Ihnen vorgeschlagene "Besprechung der Sachverhalte" dienen könnte. Möglicherweise können wir dies telefonisch klären. Meine Telefonnummer lautet: xxxx - xxxx. Grundsätzlich haben wir jedoch gegen ein Gespräch nichts einzuwenden.

Mit freundlichen Grüßen

Trude Fuchs