Die Leiter-Krankheit
wbu. - Ein Phänomen und noch immer ein Rätsel der Wissenschaft.
Unbemerkt von allen bekannten Zivilisationskrankheiten hat sie
sich seit Jahrzehnten ausgebreitet. Sie befällt Erwachsene,
Männer wie Frauen; interessanter Weise jedoch nur eine bestimmte
Gruppe unserer Gesellschaft. Wann die Ansteckung erfolgt, läßt
sich in der Regel nicht mehr nachweisen, weil die
Inkubationszeiten bis zum Ausbruch der Krankheit völlig von
einander abweichen.
Die Leiter-Krankheit verursacht jedoch Gott lob
keine Schmerzen und ist äußerlich nicht sichtbar. Sie wird in
vielen Fällen von den Betroffenen häufig gar nicht
wahrgenommen.
Es handelt sich bei dieser Krankheit um die ständig zunehmende
Hörschwäche und Kurzsichtigkeit, einhergehend mit einer
ständigen Verringerung des Blickfeldes.
Der Ausbruch der Krankheit beginnt bereits auf der untersten
Stufe. Sind zunächst die Symptome noch kaum bemerkbar, so
verändert sich das Krankheitsbild mit jeder weiteren Stufe nach
oben dramatisch.
Auf der letzten Stufe schließlich hat sich insbesondere das
Sichtfeld der Augen derart verschlechtert, daß sich nur noch ein
kleiner Bereich nach vorne öffnet. Die Blickfelder nach oben und
unten sind so gut wie verschlossen. Infolge der starken
Kurzsichtigkeit sind zudem die Konturen des verbliebenen
Sichtfeldes kaum noch einzuordnen.
Es gehört jedoch zu den Phänomenen dieser Krankheit, daß sie
nur auftritt während der Ausübung politischen Handelns. Sobald
sich die Betroffenen auf die private Ebene begeben, verschwinden
sämtliche Symptome auf der Stelle. So wächst das Blickfeld nach
allen Seiten weit über das übliche Maß hinaus. Gerade jene
spontanen Veränderungen stellen die Wissenschaft vor viele
offene Fragen und machen eine medizinische Behandlung so gut wie
unmöglich.
Natürlich stürzen einige von der Leiter-Krankheit befallene
Personen von der obersten Stufe. Aber wie durch ein Wunder
werden sie unten von einem Schutzengel aufgefangen.
Auch das dürfte zu den noch unerforschten Phänomenen dieser
Krankheit zählen.
Wilfried Buse