Blitz spaltet Flügelspitzen
Weit über einem Wald hinausragende exponierte Windkraftanlagen bilden aus elektrotechnischer Sicht sogenannte Spitzeneffekte mit hohen elektrostatischen Spannungen und Feldstärken aus, ziehen Blitze magisch an und bringen sie zur Entladung. Dieser Effekt tritt bei bestimmten Wetterlagen auch an weniger exponierten Standorten auf - wie Beobachtungen zeigen.
Laut Beobachtungen vor Ort ist dies bereits der 3. Blitzschlag in wenigen Wochen.

Wen von uns trifft es als nächstes ?

Dass der Blitz in die Windkraftanlage in Kamscheid einschlägt, ist nicht das erste Mal. Auch in der Vergangenheit sind Schäden entstanden an Telefonanlagen und Elektrogeräten. Letzte Woche wurde eine Nachbarin – sie telefonierte gerade als der Blitz in die Windkraftanlage einschlug - getroffen.

Die Nachbarin hat überlebt, aber ihr Trommelfell ist zerfetzt. Die Windkraftanlage ist höher als jeder Kirchturm und zieht den Blitz an.Die Überlandleitungen für Strom wurden vor einigen Jahren durch unterirdische Leitungen ersetzt mit der Begründung, dass sie den Blitz anziehen.

Die Windkraftanlage steht sehr nah an bewohnten Häusern. Der Lärm, der im Frühjahr, Herbst und Winter erzeugt wird, ist eine Zumutung. Kamscheid ist weit weg von der Hauptstraße und war bisher ein ruhiger Wohnort.

Die Windkraftanlage steht unmittelbar an einem Wanderweg und nur 6 m entfernt von der Gasleitung, die dort im Boden verläuft. Was passiert, wenn der Blitz die Gasleitung, statt die Strom- oder Telefonleitung trifft? Wer trägt die Kosten für die Schäden? Bisher mussten die Besitzer ihre zerstörten Telefone selbst ersetzen aufgrund „höherer Gewalt“. Wer seine private Versicherung beanspruchte, dem wurde gedroht, dass im Wiederholungsfall die Versicherung kündigt. Den Krankenhausaufenthalt der Nachbarin zahlt ihre Krankenkasse, also wir alle durch unsere Beiträge. Den Gewinn der Betreiber der Windkraftanlage schmälert dies alles nicht.

Der Märkische Kreis, als genehmigende Behörde, hätte in der Genehmigungsphase prüfen müssen, welche Umwelteinflüsse eine solche Anlage hat. Das ist gesetzlich vorgeschrieben. Die Gutachten, die zu dem Zeitpunkt der Genehmigungsphase vorliegen müssen, ließ sich das Bauamt in Lüdenscheid erst nach der Genehmigung nachreichen. Das Hauptgutachten beurteilt eine Windkraftanlage der Firma „Tacke“, aber in Kamscheid steht eine „Enercon E 40“.

Aufgrund dieses Sachverhalts und aufgrund der Nähe zu den nächsten bewohnten Häuser und den daraus resultierenden Belästigungen für die Nachbarn, hat das Verwaltungsgericht Arnsberg den vier klagenden Familien Recht gegeben. Die Windkraftanlage sollte stillgelegt werden. Aber der Märkische Kreis hat Berufung eingelegt, das heißt, das ganze Verfahren wird zur nochmaligen Prüfung zum Oberverwaltungsgericht gegeben. Der Rechtsstreit geht also nicht gegen die Betreiber, eine Familie im Dorf, sondern gegen den Märkischen Kreis, als der genehmigenden Behörde.

Diana Hutchinson


Wie ein Blitzeinschlag eine Windkraftanlage zerstörte
Rekonstruktion des Schadensverlauf mit Peak-Current-Sensor-Magnetkartensystem

JÜRGEN TRINKWALD
Im Dezember 1999 führte ein heftiges Wintergewitter über dem Windpark Lichtenau-Asseln zur vollkommenen Zerstörung einer Windenergieanlage. Bei der sachgerechten Aufklärung dieses katastrophalen Crashs half das Magnetkartensystem Peak-Current-Sensor (PCS) von OBO Bettermann.

In der Nacht zum 12. Dezember 1999 tobte ein heftiges Wintergewitter über dem Windpark Lichtenau-Asseln in der Nähe von Paderborn. Gegen 10 Uhr morgens entdeckte ein Mitarbeiter der Betreibergesellschaft eine umgestürzte und vollkommen zerstörte Windenergieanlage. Vom Fundament aufsteigend waren ca. 10 m Turm stehen geblieben. Der Rest der einstmals 60 m hohen Anlage war mit Gondel und Rotor zu Boden geschlagen. Um diesen katastrophalen Crash sachgerecht aufklären zu können, wurden sogleich die Herstellerfirma und das Bauordnungsamt sowie die Kriminalpolizei Paderborn und der TUV Nord in die Ermittlungen eingeschaltet.

Bei den ersten Nachforschungen wurde man ziemlich schnell auf die unterschiedlich ausgeprägten Blitzstrommarken an den drei Blattenden der Rotoren aufmerksam, was auf einen bzw. mehrere direkte Blitzeinschläge in die Flügel schließen ließ.

Wie konnte der Schadensverlauf rekonstruiert werden?

Relativ häufig kommt es zu Blitzeinschlägen in die Rotorblätter von Windkraftanlagen, da diese immer an exponierten Stellen errichtet werden und die Flügelspitzen bis zu 150 m in den Himmel ragen. Deshalb arbeiten einige Hersteller schon seit Jahren intensiv an der Entwicklung blitzstromfester Rotorblätter. Führend auf diesem Gebiet ist die dänische Firma LM, die etwa 60 % des Weltmarktes beliefert.

Schon 1994 startete dieser Hersteller ein Projekt, Rotorblätter zu konstruieren, die möglichst unempfindlich auf Blitzströme reagieren, da diese zu den teuersten sowie den am meisten gefährdeten Einzelkomponenten einer Großwindanlage gehören. Dieser Hersteller rüstet die Flügelenden seiner Blätter mit metallenen Fangrezeptoren aus, wobei diese dann über eine dicke Kupfer-Flecht-Litze mit dem Rotor verbunden werden.

Um weltweit verlässliche Messdaten über die Stärke evtl. Blitzeinschläge in die Rotoren zu erlangen. bediente sich die Fa. LM des Peak-current-Sensor-Magnetkartensystems aus dem Blitz- und Überspannungsschutzprogramm von OBO-Bettermann. Dieses Erfassungssystem nutzt das magnetische Feld des Blitzstromes aus, um die vormagnetisierte Oberfläche einer speziell von OBO entwickelten Karte zu entmagnetisieren. Wenn ein Stoßstrom durch den Leiter fließt, neben dem die Karte angeordnet ist, wird ein Teil der Vormagnetisierung auf der Karte gelöscht. Aus der Höhe der Entmagnetisierung lässt sich mit Hilfe eines speziellen Auswertegeräts die Höhe des geflossenen Stromes (Scheitelwert) exakt bestimmen. Auch die Blätter der umgestürzten Anlage waren mit diesen Magnetkarten ausgerüstet.

Was war passiert?

Zunächst wurden die Daten der drei Magnetkarten im Überspannungsschutz-Entwicklungslabor von OBO ausgewertet. Dann wurde ein solcher Blitzstrom nachgebildet, um eine Referenzkarte zu erstellen. Dabei fanden die Experten heraus, dass die Rotorblätter von Blitzen mit Stromstärken bis zu 41000 A getroffen worden sind. Aus dieser entscheidenden Feststellung ließ sich der gesamte Schadensverlauf' dann relativ leicht ableiten.

Ergebnisse

Der vom TÜV-Nord rekonstruierte Schadensverlauf stellte sich schließlich wie folgt dar: "Die vom PCS-System der Firma OBO-Bettermann aufgezeichneten leistungsstarken Blitzschläge müssen zu Strukturschäden an den Blättern geführt haben, so dass lose Teile von der Anlage weggeschleudert wurden. Folge war eine Unwucht im Rotor, die den Turm zu Eigenschwingungen anregte und die diesen schließlich zum Bersten brachten. Leider verfügte diese Anlage noch nicht über eine heute übliche Unwuchterkennung mit dazu gehörigem Notstop, die einen solchen Totalausfall verhindert hätte.«

Fazit

Ohne das eingebaute PCS-System hätte der Hergang des Schadens an der Windenergieanlage niemals so exakt aufgeklärt werden können. Es wäre bei Vermutungen geblieben.

Aus de Der Elektro- und Gebäudetechniker, vormals der Elektromeister + und Deutsches Elektrohandwerk, Ausgabe 12/2001, Hüthig & Pflaum Verlag GmbH & Co. Fachliteratur KG, München