Die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU und ihre Umsetzung siehe FFH - allgemein


Das europäische Biotopverbundsystem „Natura 2000" und seine Bedeutung für die nachhaltige städtebauliche Entwicklung
Referat von Geschäftsführer Dr. Wolfgang Schrödter, Niedersächsischer Städtetag auf einer wissenschaftlichen Fachtagung der Universität Kaiserslautern am 27. und 28. September 1999 in Kaiserslautern

I. Einführung

Dieses Thema ist aus vielen Gründen gegenwärtig von hoher Aktualität. Hier darf ich nur erwähnen, dass die Freie und Hansestadt Hamburg gegenwärtig einen Bebauungsplan für das sogenannte Mühlenberger Loch aufstellt, auf dem, in scharfer Konkurrenz zum Standort Rostock/Laage, ein neues AirBus-Werk für die Produktion des Großraumflugzeuges A3XX mit 2000 neuen Arbeitsplätzen entstehen soll. Das Mühlenberger Loch ist ein gemeldetes Vogelschutzgebiet. Außerdem wächst auf dieser Fläche der seltene Schierlingswasserfenchel, der als prioritäre Art nach der FFH-Richtlinie geschützt ist.

Die Bewohner des Blankeneser Treppenviertels haben im laufenden Bebauungsplanverfahren Einwendungen erhoben u.a. mit der Begründung, der Blick auf das südliche Elbufer würde verbaut und außerdem würde ihre Wohnqualität durch zusätzlichen Fluglärm beeinträchtigt. Damit hängt das Schicksal dieses Bebauungsplanes im wesentlichen davon ab, ob und unter welchen Voraussetzungen eine FFH- und Vogelschutzfläche mit den Instrumenten des BauGB überplant werden kann. Nur am Rande darf ich erwähnen, dass die FFH-Richtlinie und die Vogelschutzrichtlinie auch ein Grund dafür waren, dass das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 21. Januar 1998 den Bau der Ostsee-Autobahn A 20 vorübergehend mit der Begründung ausgesetzt hatte, die Trasse führe durch ein potentielles Gebiet nach der FFH-Richtlinie. Schließlich möchte ich nicht verschweigen, dass ein Beschluss des VG Oldenburg über den Baustopp des Emssperrwerkes auch deutliche Hinweise dafür enthält, dass die Auslegung der Vogelschutzrichtlinie in einem Planfeststellungsverfahren einen hohen Rang einnehmen kann. Schon diese Beispiele belegen, dass die öffentliche Hand bei Planungen von Vorhaben mit äußerster Sorgfalt die komplexen Richtlinien anwenden muss, um diese Investitionen wirklich gerichtsfest zu machen.

Ich möchte mich im Folgenden auf das Verhältnis zwischen der Bauleitplanung und dem Europäischen Habitatschutz beschränken, das die planende Gemeinde, dieses darf ich schon hier ankündigen, vor große Probleme stellt.

II. Die geschützten Gebiete

1. Allgemeines

Schwierigkeiten bereitet bereits die Feststellung der Gebiete, für die im Rahmen der Bauleitplanung die europarechtlichen Bestimmungen über den Habitatschutz zu beachten sind. Diese Probleme hängen im wesentlichen damit zusammen, dass der Bundesgesetzgeber die beiden Richtlinien erst durch das „Zweite Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes" mit Wirkung zum 9. Mai 1998 in innerstaatliches Recht umgesetzt hat. Er hat die zwingenden Fristen damit um vier Jahre überschritten, da die FFH-Richtlinie bis zum 5. Juni 1994 umzusetzen war. Obgleich die beiden Richtlinien die zuständigen Behörden, also den Bund und die Behörden der Länder einschließlich der Gemeinden, nach herrschender Meinung von diesen Zeitpunkten an bereits unmittelbar verpflichtet haben, ist es dem Bund und den Ländern bisher nicht gelungen, die FFH-Gebiete in dem europarechtlich zwingend vorgeschriebenen Verfahren zu bestimmen. Für die Praxis stellt sich damit die außerordentlich schwierige Frage, welche Bedeutung der Habitatschutz in diesen sogenannten potentiellen FFH-Gebieten hat.

Da ich davon ausgehe, dass die Länder, der Bund und die Europäische Kommission in der Lage sind, in einem überschaubaren Zeitraum zumindest die Gebiete ordnungsgemäß zu bestimmen, darf ich kurz die hierfür vorgesehenen Regeln darstellen, die für Vogelschutzgebiete und FFH-Gebiete unterschiedlich ausgestaltet sind.

2. Das Verfahren zur Bestimmung der FFH-Gebiete

FFH-Gebiete sind nach § 19a Abs. 2 Nr. 2 BNatSchG „Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung", die in die Liste der Kommission nach Art. 4 Abs. 2 Satz 3 FFH-Richtlinie eingetragen sind. Nach den Vorgaben des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 FFH-Richtlinie handelt es sich um Gebiete, in denen Lebensraumtypen (Biotope) des Anhangs I zur FFH-Richtlinie bzw. Tier- und Pflanzenarten des Anhangs II vorhanden sind. Soweit in diesem Lebensraumtyp sog. prioritäre Biotope (§ 19a Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG) oder prioritäre Arten (§ 19a Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG) erfasst sind, erfahren diese nach Art. 6 Abs. 3 Unterabschnitt 2 FFH-Richtlinie einen verstärkten Schutz. Diese Regelung hat § 19c Abs. 4 BNatSchG in nationales Recht umgesetzt. Prioritäre Arten und Biotope werden im Anhang zur FFH-Richtlinie jeweils mit einem „*" markiert.

Nach der eindeutigen Regelung des § 19a Abs. 2 Nr. 2 BNatSchG entsteht ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung erst mit der Aufnahme in die Liste, die die Kommission nach Art. 4 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Art. 21 Abs. 1 FFH-Richtlinie erstellen muss. Verfahrensrechtlich ist dabei zu beachten, dass die Bundesländer Gebiete, die der Kommission zu melden sind, nach § 19b Abs. 1 Satz 1 BNatSchG aussuchen. So hat z.B. Niedersachsen hat in einer sog. ersten Tranche am 27. März 1998 dem BMU insgesamt 84 FFH-Gebiete zur Aufnahme in die Liste vorgeschlagen. Die zweite Tranche, die 70 Gebiete umfasst, soll nach der Anhörung der Betroffenen bis Ende 1999 gemeldet werden. Sollten diese Gebiete in die Liste aufgenommen werden, wären 6 % der Landesfläche europarechtlich geschützt. Bundesweit wurden bisher 290 Gebiete und damit 0,6 % der Fläche gemeldet. Etwa 1,2 % umfasst die Fläche, die bundesweit noch gemeldet werden soll. Damit stellt sich die schwierige Frage, wie nicht gemeldete Gebiete, oder Gebiete, die zwar gemeldet wurden, aber noch nicht in die Liste aufgenommen werden konnten, rechtlich im Rahmen der Bauleitplanung einzuordnen sind. Auf diese Probleme werde ich später eingehen.

Nach § 19b Satz 2 bis 4 BNatSchG stellen die Länder das „Benehmen" mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) her; dabei beteiligt das BMU andere Bundesministerien. Nach Abschluss dieser Beteiligung werden die Gebiete der Kommission vom BMU benannt. Dabei hat das BMU zugleich Schätzungen über eine finanzielle Beteiligung der Gemeinschaft sowie über mögliche Zahlungen eines finanziellen Ausgleichs an betroffene Grundstückseigentümer vorzulegen. Dieser Bestimmung ist zunächst zu entnehmen, dass FFH-Gebiete nur auf Initiative und damit mit Zustimmung der Länder und des Bundes in die Liste der Kommission nach Art. 4 Abs. 2 Satz 3 FFH-Richtlinie aufgenommen werden können. Dabei ist von Bedeutung, dass selbst die besonders schutzwürdigen Gebiete, also Gebiete mit prioritären Arten oder Lebensraumtypen, nicht gegen den Willen eines Mitgliedstaates in die Liste aufgenommen werden dürfen. Hat ein Mitglied ein derartiges Gebiet aber nicht der Kommission gemeldet, kann diese für diese „Konzertierungsgebiete" nach § 19a Abs. 2 Nr. 3 BNatSchG ein sog. bilaterales Konzertierungsverfahren nach Art. 5 Abs. 1 FFH-Richtlinie einleiten, in dem die vom Mitgliedstaat und der Kommission vorgelegten „wissenschaftlichen Daten" verglichen werden. Kommt in einem „Konzertierungszeitraum" von sechs Monaten eine Einigung nicht zustande, schlägt die Kommission dem Rat einen Vorschlag über die Aufnahme des Gebietes in die Liste vor. Dabei kann der Rat nur einstimmig, also nicht gegen das Votum oder bei Stimmenthaltung eines Mitgliedstaates, das nicht gemeldete Gebiet mit prioritären Arten oder Lebensraumtypen in die Liste aufnehmen (Art. 5 Abs. 2 und 3 FFH-Richtlinie).

Die rechtliche Qualität eines Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung nach § 19a Abs. 2 Nr. 2 BNatSchG erhalten die gemeldeten Flächen in dem Zeitpunkt, in dem die Kommission diese Flächen in die Liste nach Art. 4 Abs. 2 Satz 3 FFH-Richtlinie aufgenommen hat. Zwar bestimmt § 19a Abs. 4 BNatSchG, dass das BMU die Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung, die Konzertierungsgebiete und die Europäischen Vogelschutzgebiete im Bundesanzeiger bekannt macht. Diese Bekanntmachung hat aber keine rechtsbegründende Wirkung, ist also nicht Voraussetzung für die Entstehung eines Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung. Vielmehr ist die Bekanntmachung im Bundesanzeiger nur für die Länder von Bedeutung, da diese verpflichtet sind, die in die Liste eingetragenen Gebiete innerhalb einer Frist von sechs Jahren nach der Bekanntmachung zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft nach § 12 Abs. 1 zu erklären (§ 19b Abs. 2 BNatSchG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 FFH-Richtlinie). Der Inhalt der Schutzerklärung ergibt sich aus § 19b Abs. 3 BNatSchG. § 19b Abs. 4 BNatSchG schließlich ist zu entnehmen unter welchen Voraussetzungen eine Schutzerklärung nicht notwendig ist.

3. Das Verfahren zur Bestimmung der Europäischen Vogelschutzgebiete

Für die Europäischen Vogelschutzgebiete fehlt dagegen eine dem § 19b Abs. 1 BNatSchG vergleichbare Bestimmung, die im einzelnen regelt, unter welchen formellen Voraussetzungen ein Gebiet die rechtliche Qualität des Europäischen Vogelschutzgebietes erhält. Vielmehr bestimmt § 19a Abs. 2 Nr. 4 BNatSchG, dass es sich um Gebiete im Sinne des Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie handelt. Maßgeblich ist somit allein, ob die Länder in dem nach ihrem Landesrecht maßgeblichen Verfahren diese Gebiete unter Schutz gestellt haben. Eine Meldung dieser Gebiete ist nicht notwendig, ebenso wenig eine förmliche Entscheidung über die Liste. Auch hier stellt sich aber in der Praxis die Frage, wie nicht gemeldete Vogelschutzgebiete, die faktischen oder potentiellen Schutzgebiete, rechtlich einzuordnen sind.

In welchem Umfang die Länder ein Ermessen bei der Auswahl der Gebiete haben, ist außerordentlich umstritten. Zumindest Niedersachsen hat sich bei der Meldung der zweiten Tranche Ende 1999 im wesentlichen den Forderungen des Verfassers angeschlossen, mit Bebauungsplänen überplante Gebiete nicht zu melden.

III. Die Voraussetzungen für das Inkrafttreten von Bauleitplänen für die nach den §§ 19a-f BNatSchG geschützten Gebiete

1. Allgemeines

Nach den komplexen europarechtlichen Vorgaben, die nunmehr durch die §§ 19a bis f, umgesetzt wurden, erfordern Bauleitpläne, also Bebauungspläne und Flächennutzungspläne, sowie städtebauliche Satzungen nach den §§ 34 Abs. 4 und 35 Abs. 6 BauGB, die dazu geeignet sind, das geschützte Gebiete mit seinen Erhaltungszielen erheblich zu beeinträchtigen, eine sogenannte Verträglichkeitsprüfung. Führt diese Verträglichkeitsprüfung zu dem Ergebnis, dass eine Beeinträchtigung nicht zu erwarten ist, ist der Plan zulässig. Zeigt die Verträglichkeitsprüfung dagegen, dass das geschützte Gebiet in seinen Erhaltungszielen erheblich beeinträchtigt wird, kommt eine Genehmigung nur unter den strengen Voraussetzungen des § 19c Abs. 2 bis 5 BNatSchG in Betracht.

Soll z. B. durch einen Bebauungsplan wie im Fall des AirBus-Bebauungsplanes der Stadt Hamburg, ein geschütztes Gebiet als Industriegebiet festgesetzt werden, sind in dem Verfahren neben den Bestimmungen des BauGB somit auch die neuen komplizierten Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes über den Habitatschutz zu beachten.

Diese Verträglichkeitsprüfung ist aber wegen ihrer besonderen Zielsetzung sorgfältig von der Prüfung der Eingriffsregelung und auch der UVP abzugrenzen. Im Rahmen der Eingriffsregelung ist nämlich allein zu prüfen, wie ein Eingriff als erhebliche Beeinträchtigung des Status quo von Natur und Landschaft kompensiert werden kann. Demgegenüber muss im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung untersucht werden, ob die Verwirklichung des Bebauungsplanes, etwa die plangerechte Errichtung eines Windparks, das „Erhaltungsziel" oder den „Schutzzweck" des besonderen Schutzgebietes erheblich beeinträchtigen würde (§ 19c Abs. 1 und 2 BNatSchG). Auch eine UVP enthält nicht die Verträglichkeitsprüfung nach der FFH-Richtlinie, da die UVP ein anderes Ziel verfolgt als die Verträglichkeitsprüfung. Die UVP kann aber auf die besonderen Ziele der Verträglichkeitsprüfung erstreckt werden.

2. Die Entscheidungsalternativen der planenden Gemeinden

Hat eine Gemeinde nach diesem komplizierten System eine Verträglichkeitsuntersuchung durchgeführt, kommen, je nach dem Ergebnis dieser Untersuchung, verschiedene Entscheidungsvarianten in Betracht. Im einzelnen gilt folgendes

a) Inkrafttreten des Planes bei fehlender erheblicher Beeinträchtigung

Führt die Verträglichkeitsprüfung zu dem Ergebnis, dass die Realisierung des Bauleitplanes nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebietes „in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann" (§ 19c Abs. 2 BNatSchG), kann der Bauleitplan, ggf. nach Durchführung des Genehmigungs- oder eines nach § 246 Abs. 1a BauGB eingeführten Anzeigeverfahrens, in Kraft gesetzt werden. Die Entscheidung hierüber trifft die nach innerstaatlichem Recht zuständige Behörde. Dieses sind bei genehmigungspflichtigen Bebauungsplänen, also bei den Plänen, die nicht aus wirksamen Darstellungen eines Flächennutzungsplanes entwickelt werden, die Gemeinde und die für die Genehmigung zuständige Bezirksregierung. Bei genehmigungsfreien Bebauungsplänen, also Bebauungsplänen, die aus Darstellungen eines Flächennutzungsplanes entwickelt werden (§ 10 Abs. 2 Satz 1 BauGB), ist zuständige Behörde allein die Gemeinde. Weder das BNatSchG noch Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie begründen insoweit eine besondere Genehmigungspflicht anderer Behörden. Erhalten bleiben dagegen sonstige Genehmigungsvorbehalte, etwa nach dem Naturschutzrecht der Länder, soweit für das Gebiet eine zusätzliche Schutzvorschrift, etwa eine Landschaftsschutzverordnung oder eine Naturschutzverordnung, gilt. Diese muss nach allgemeinen Grundsätzen aufgehoben oder geändert werden, ehe der Bebauungsplan in Kraft treten kann. Auch soweit das Gebiet geschützte Arten oder Biotope beherbergt, gilt für diese Gebiete entgegen einer weit verbreiteten Praxis kein „Planungsverbot". Vielmehr hat das BVerwG mit einem erfreulich klaren Beschluss vom 25.8.1997 ausgeführt, auch Pläne für diese Gebiete könnten in Kraft gesetzt werden, wenn eine naturschutzrechtliche „Befreiungslage" vorliege, also eine Ausnahme oder Befreiung vom Arten- oder Biotopschutz nicht auf unüberwindbare artenschutzrechtliche Hinweise treffe.

b) Inkraftsetzen des Bauleitplanes trotz erheblicher Beeinträchtigung der Erhaltungsziele

Führt die im Rahmen der Bauleitplanung durchzuführende Verträglichkeitsprüfung dagegen zu dem Ergebnis, dass die Realisierung der Planung, etwa die Errichtung eines Windparkes am Rande eines geschützten Gebietes, zu erheblichen Beeinträchtigungen des geschützten Gebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, darf der Bauleitplan nach der Regel des § 19c Abs. 2 BNatSchG von der Gemeinde grundsätzlich nicht in Kraft gesetzt werden bzw., soweit er noch zu genehmigen ist, die Genehmigung nicht erteilt werden. § 19c Abs. 3 bis 5 BNatSchG eröffnen aber in Umsetzung des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-Richtlinie die Möglichkeit, diesen Plan unter bestimmten formellen und materiellen Voraussetzungen dennoch in Kraft zu setzen.

In einer komplizierten gesetzlichen Systematik bestimmt § 19c Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG, dass ein derartiger Bebauungsplan, etwa die Festsetzung des Mühlenberger Loches als Industriegebiet, nur in Kraft treten darf „aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses", die beispielhaft aufgeführt werden. Für Gebiete mit prioritären Arten oder Biotopen, die in den Anhängen I und II zur FFH-Richtlinie mit einem „*" markiert sind, gelten nach Abs. 4 besondere Regelungen. Im übrigen ist weitere Voraussetzung für eine Genehmigung, dass vorher Alternativen geprüft wurden und dass jeweils Maßnahmen vorzusehen sind, die der Sicherung des Zusammenhanges des Netzes „Natura 2000" dienen (Abs. 5). Im einzelnen gilt folgendes:

aa) Prüfung von zumutbaren Alternativen nach § 19c Abs.3 Nr.2 BNatSchG

Vor der Zulassung eines derartigen Planes muss die nach innerstaatlichem Recht zuständige Behörde prüfen, ob „zumutbare Alternativen" bestehen, das Projekt „an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen" zu realisieren. Anders als im sonstigen Recht der Bauleitplanung besteht somit eine strikte, gerichtlich überprüfbare Pflicht, alternative Standorte zu dem geschützten Gebiet zu untersuchen. Neben der erwähnten Verträglichkeitsprüfung ist somit eine europarechtlich vorgegebene Alternativenüberprüfung durchzuführen. Die Realisierung des Vorhabens im Rahmen einer Alternative muss nach dem auch im Europäischen Gemeinschaftsrecht geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 3 b Unterabsatz 3 EG-Vertrag) aber wirtschaftlich zumutbar sein.

Die Bestimmung zumutbarer Alternativen nach diesen Grundsätzen ist im Einzelfall schwierig. Allein der Umstand, dass die Gemeinde oder der Investor nur im geschützten Gebiet oder in der Umgebung Eigentümer von Grundstücken ist, rechtfertigt es nicht, eine Alternative auf anderen, ihm nicht gehörenden Grundstücken abzulehnen. So können z.B. Windenergieanlagen, die nicht als Nebenanlagen eines landwirtschaftlichen Betriebes privilegiert sind, auch auf anderen Flächen errichtet werden. Hier ist es dem Investor zuzumuten, die Flächen zu erwerben, auch wenn ihm dadurch wirtschaftliche Nachteile entstehen. Für den Abbau von Bodenschätzen, etwa von Gips oder Torf in einem geschützten Gebiet, gelten vergleichbare Grundsätze. Auch hier ist es dem Antragsteller regelmäßig zuzumuten, sich um geeignete Flächen außerhalb des geschützten Gebietes zu bemühen. Eine Ausnahme dürfte nur gelten, wenn sich in dem geschützten Gebiet ein regional einmaliges Vorkommen befindet. Da das Städtebaurecht nur die Nutzung von Grund und Boden regelt, kann der Gemeinde nicht entgegengehalten werden, auf den Rohstoff, etwa Gips, könne in einer stärker ökologisch geprägten Bauwirtschaft insgesamt verzichtet werden. Insbesondere ist ein alternativer Standort nicht zuzumuten, wenn ein vorhandener Betrieb, der zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen nicht verlagert werden kann, notwendige Erweiterungsinvestitionen an dem bisherigen Standort durchführen muss. Eine weitere, in der Praxis bedeutsame Ergänzung ergibt sich aus der Planungshoheit selbst. Da die Gemeinde nur Flächen innerhalb ihrer Grenzen überplanen darf, scheiden zumutbare Alternativen aus, die außerhalb der Gemeinde liegen. Der Umstand, dass für das geplante AirBus-Werk in Hamburg aus der Sicht des Habitatschutzes ein gut geeignetes Alternativgrundstück in Rostock-Laage in Betracht kommt, ist für die planende Stadt Hamburg somit auch europarechtlich kein Grund, die Planung aufzugeben.

bb) Zulässigkeit des Vorhabens aus zwingenden Gründen
(§ 19c Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG)

Kommt nach § 19c Abs.3 Nr.2 BNatSchG ein alternativer Standort für das Vorhaben nicht in Betracht, ist der Bauleitplan ausnahmsweise „aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art" zulässig (§ 19c Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG). Diese wörtlich aus Art. 6 Abs. 4 Satz 1 FFH-Richtlinie übernommene Regelung ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Rein private Motive, etwa das wirtschaftliche Interesse eines Investors, einen Betrieb zu errichten, rechtfertigen regelmäßig keine Ausnahme. Die Abgrenzung kann im Einzelfall allerdings schwierig werden, so etwa, wenn eine im privaten Interesse liegende Investition zugleich den genannten öffentlichen Interessen dient. Insbesondere können somit vorrangige Gründe der Wirtschaftsförderung, etwa die Notwendigkeit, einen Betrieb zu erweitern und damit Standort und Arbeitsplätze zu sichern, den entsprechenden Bauleitplan rechtfertigen, obwohl das Vorhaben ein geschütztes Gebiet mit seinen Erhaltungszielen erheblich beeinträchtigen würde. Zwingende Gründe sozialer Art sind etwa zu bejahen, wenn eine im Gebiet oder in der Umgebung liegende soziale Einrichtung, etwa eine Rehabilitationsklinik, erweitert werden soll.

3. Zulässigkeit in Gebieten mit prioritären Arten/Biotopen (§ 19c Abs. 4 BNatSchG)

a) Allgemeines (§ 19c Abs. 4 Satz 1 BNatSchG)

Für Gebiete, die einen „prioritären natürlichen Lebensraumtyp" und/oder eine „prioritäre Art" einschließen, also Biotope und Arten, die in den Anhängen I und II zur FFH-Richtlinie mit einem(*) markiert sind, können „als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Landesverteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projektes auf die Umwelt geltend gemacht werden" (§ 19c Abs. 4 Satz 1 BNatSchG). Somit können Flächen, auf denen ökologisch besonders wertvolle Biotope oder Arten leben, nur unter diesen besonders strengen Voraussetzungen überplant werden. Die Gesundheit des Menschen kann z.B. den Bau einer Umgehungsstraße durch das geschützte Gebiete rechtfertigen, wenn dadurch Anwohner von unzumutbarem Verkehrslärm befreit werden oder ein Unfallschwerpunkt beseitigt wird. Maßgeblich günstige Auswirkungen auf die Umwelt hat ein Bauleitplan, wenn die Umwelt in dem Gebiet zugunsten der geschützten Biotope und Arten ökologisch aufgewertet wird. Dieses ist z. B. anzunehmen, wenn im Rahmen einer betrieblichen Erweiterung eine damit zusammenhängende betriebliche Kläranlage die Abwässer, die in einen durch das geschützte Gebiet führenden Bach geleitet werden, mit einem höheren Reinigungsgrad reinigen wird. Allein der Umstand, dass ein Vorhaben ökologisch sinnvoll ist, ist dagegen kein Grund, den entsprechenden Plan nach § 19c Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG zuzulassen. Die Planung eines Windparks in einem FFH-Gebiet ist somit nach dieser Variante nicht zulässig, wenn der Windpark das Gebiet in seinen Erhaltungszielen beeinträchtigen würde.

b) Gründe sozialer oder wirtschaftlicher Art in FFH-Gebieten mit prioritären Biotopen und Arten (§ 19c Abs. 4 Satz 2 BNatSchG)

Schon jetzt zeigt sich, dass insbesondere § 19c Abs. 4 Satz 2 BNatSchG im Konfliktfeld zwischen Wirtschaft und Ökologie zu kontroversen Diskussion führen wird. Nach dieser Bestimmung können nämlich „sonstige Gründe im Sinne des § 19c Abs. 3 Nr. 1 nur berücksichtigt werden, wenn die zuständige Behörde zuvor über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit eine Stellungnahme der Kommission eingeholt hat". Diese Regelung geht somit davon aus, dass die in § 19c Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG genannten zwingenden Gründe „sozialer oder wirtschaftlicher Art" auch das Inkrafttreten eines Bauleitplanes zulassen, wenn die Verwirklichung der Planung prioritäre Arten oder Biotope erheblich beeinträchtigen würde. Mit dieser Regelung hat der nationale Gesetzgeber eine Auffassung der Kommission übernommen, die in einer Stellungnahme zum Lappel-Bank Verfahren vertreten hatte, ausnahmsweise könnten es auch Gründe der Wirtschaftsförderung und Strukturpolitik rechtfertigen, Gebiete mit prioritären Arten oder Biotopen erheblich zu beeinträchtigen. Im Schrifttum zur FFH-Richtlinie haben sich Freytag/Iven dieser Interpretation angeschlossen, während z.B. Gellermann und Winter die Auffassung vertraten, dass insbesondere wirtschaftliche Gründe keine erheblichen Beeinträchtigung eines Gebietes mit prioritären Arten oder Biotopen rechtfertigten. Zur Begründung verweisen diese beiden Autoren darauf, dass allein Art. 6 Abs. 4 Satz 1 FFH-Richtlinie, anders als Art. 6 Abs. 4 Unterabsatz 2, ausdrücklich die Berücksichtigung wirtschaftlicher Gründe zulasse. Diese Regelung rechtfertige den Umkehrschluss, dass prioritäre Arten oder Biotope wegen ihrer hochrangigen Funktion für das System NATURA 2000 gerade nicht aus wirtschaftlichen Gründen beeinträchtigt oder zerstört werden dürften.

Es liegt auf der Hand, dass diese Streitfrage für die rechtliche Beurteilung von Plänen und Projekten in FFH-Gebieten von eminenter Bedeutung sein wird. Sollte sich nämlich die inzwischen von Gellermann auch noch zu § 19c Abs. 4 Satz 2 BNatSchG vertretene Auffassung durchsetzen, wären der Bebauungsplan für das AirBus-Werk sowie die Emsvertiefung möglicherweise wegen Verstoßes gegen zwingendes EU-Recht unzulässig. Denn ungeachtet der Souveränität des nationalen Gesetzgebers darf dieser bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zumindest nicht von eindeutigen zwingenden Vorgaben der Richtlinie abweichen.

Nach der hier vertretenen Auffassung hält sich der Gesetzgeber im Rahmen des Europäischen Rechts, wenn er nach dem ees § 19c Abs. 4 Satz 1 BNatSchG entschieden hat, dass soziale und wirtschaftliche Gründe ausnahmsweise auch Pläne und Projekte in Gebieten mit prioritären Arten oder Biotopen rechtfertigen können. Für diese Auffassung spricht einmal, dass nach Abs. 4 der Präambel bei der Umsetzung deindeutigen Wortlaut dr Richtlinie auch „die wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder regionalen Anforderungen berücksichtigt werden sollen". Diese Regelung wäre ohne jede Bedeutung, wenn nicht eminent bedeutsame wirtschaftliche Projekte, etwa der Bau einer Autobahn in einer abgelegenen und wirtschaftlich schwachen Region, auch in Gebieten mit prioritären Arten oder Lebensraumtypen ausnahmsweise zugelassen werden könnten. Dieses Verständnis des Europäischen Rechts wird dadurch bestätigt, dass Art. 6 Abs. 1 FFH-Richtlinie für den Artenschutz nach Art. 12 bis 15 FFH-Richtlinie ebenfalls Abweichungen aus Gründen „sozialer oder wirtschaftlicher Art" zulässt. Da es Arten gibt, die ökologisch wertvoller sein können als prioritäre Arten oder Biotope, ist es nur konsequent, diese Bestimmung im Rahmen der Auslegung des Art. 6 Abs. 4 Unterabsatz 2 FFH-Richtlinie entsprechend anzuwenden und damit den sicherlich naheliegenden Umkehrschluss aus Art. 6 Abs. 4 Unterabsatz 1 FFH-Richtlinie auszuschließen. Im Rahmen der weiterhin notwendigen Abwägung zwischen dem Habitatschutz und den wirtschaftlichen oder sozialen Gründen, die für eine Planung ins Feld geführt werden, sind die geschützten Gebiete bzw. Biotope und Arten aber mit einem besonders hohen Rang zu berücksichtigen. Dieses bedeutet insbesondere, dass eine Investition, die durch einen Bauleitplan vorbereitet wird, eine hervorragende Bedeutung für Wirtschaft und Struktur in der Gemeinde haben muss. Die Forderung von Niederstadt, es müsse sich um eine Investition von „quasi gesamtstaatlicher Bedeutung" handeln, dürfte aber weder dem Wortlaut des § 19c Abs. 4 BNatSchG noch dem Zweck der Regelung entsprechen. Die Rechtsprechung zu standortgebundenen Plänen oder Projekten wird diese Frage, die für einzelne Regionen von hoher Bedeutung sind, in den nächsten Jahren klären müssen.

c) Anhörung der Kommission vor der Entscheidung (§ 19c Abs. 4 Satz 2)

Nach § 19c Abs. 4 Satz 2 BNatSchG, der Art. 6 Abs. 4 Unterabschnitt 2 FFH-Richtlinie umsetzt, ist vor dem Inkrafttreten eines Bauleitplanes, dessen Realisierung ein Gebiet mit prioritären Arten oder Biotopen erheblich beeinträchtigen kann, eine Stellungnahme der Kommission einzuholen. Diese Regelung gilt nach Wortlaut und Systematik nur in den Fällen des § 19c Abs. 4 BNatSchG. Die Kommission soll damit die Möglichkeit erhalten, das Projekt aus ihrer Sicht ökologisch zu bewerten und insbesondere eine Aussage darüber zu treffen, ob die vorgesehenen Investitionen die Erhaltungsziele eines Gebietes mit prioritären Biotopen oder Arten erheblich beeinträchtigen wird und ob die sonstigen sozialen oder wirtschaftlichen Gründe so herausragend sind, dass sie die Zulässigkeit des entsprechenden Bauleitplanes rechtfertigen.

Da die Beteiligung der Kommission somit die Aufgabe hat, Abwägungsmaterial zum Europäischen Habitatschutz zu liefern, sollte die Stellungnahme so frühzeitig eingeholt werden, dass sie vor dem die Abwägung umfassenden Satzungsbeschluss vorliegt. Die Gemeinde ist allerdings nicht an die Stellungnahme gebunden. Hinsichtlich des Verfahrens ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission kein Träger öffentlicher Belange im Sinne von § 4 BauGB ist. Dieses sind nämlich nur innerstaatliche Behörden. Die für dieses Verfahren geltenden Bestimmungen über Form und Frist einer Stellungnahme gelten daher nicht. Sollte die Kommission aber trotz angemessener Fristen keine Stellungnahme abgeben, kann die Gemeinde nicht daran gehindert sein, den entsprechenden Bebauungsplan zu beschließen. Hat die Gemeinde die Kommission überhaupt nicht beteiligt, führt dieses nicht automatisch zur Rechtswidrigkeit der Planung, da weder die FFH-Richtlinie noch das Bundesnaturschutzgesetz diese Rechtsfolge anordnen. Insofern enthält § 19c Abs. 4 Satz 2 BNatSchG auch für die Bauleitplanung nur eine Ordnungsvorschrift. Weicht die Gemeinde aber von der Stellungnahme der Kommission ab, kann ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 169 EG-Vertrag eingeleitet werden.

d) Besonderheiten in Vogelschutzgebieten

Für die nach Art. 4 Vogelschutzrichtlinie unter Schutz gestellten Vogelschutzgebiete ist im übrigen von Bedeutung, dass es nach bisheriger Auffassung der Kommission keine Vogelschutzgebiete gibt, die unter Art. 6 Abs. 4 Unterabschnitt 2 FFH-Richtlinie fallen. Zur Begründung berief sich die Kommission darauf, dass es, anders als nach der FFH-Richtlinie, in der Vogelschutzrichtlinie keine Kennzeichnung (*) für prioritäre Vogelarten gibt. Diese Auffassung wurde von der h.M. abgelehnt. Das BNatSchG hat diese Streitfrage aber nunmehr entschieden, da § 19b Abs. 2 Nr. 5 und 6 BNatSchG und damit auch der auf diese Definition verweisende § 19c Abs. 4 Satz 2 BNatSchG nur prioritäre Arten oder Biotope im Sinne der FFH-Richtlinie erfasst. Ob diese Regelung mit den europarechtlichen Vorgaben im Einklang steht, ist heftig umstritten. Insbesondere Gellermann leitet aus dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte des Art. 6 Abs. 4 FFH-Richtlinie ab, dass zumindest die besonderen Schutzgebiete des Art. 4 Abs. 1 Unterabschnitt 4 Vogelschutzrichtlinie auch dann an dem strengen Schutz des Art. 6 Abs. 4 Unterabschnitt 2 FFH-Richtlinie teilnehmen, wenn in dem Gebiet keine prioritären Arten oder Biotope im Sinne der FFH-Richtlinie erfasst sind. Dieses strenge Verständnis des Art. 6 Abs. 4 FFH-Richtlinie ist jedoch nach dem Wortlaut und Systematik der FFH-Richtlinie nicht so eindeutig, dass der nationale Gesetzgeber gezwungen war, die nach Art. 4 Abs. 4 Vogelschutzrichtlinie geschützten Vogelarten als prioritäre Arten im Sinne von § 19c Abs. 4 BNatSchG einzustufen. De lege lata ist somit eine planende Gemeinde, entsprechendes gilt für Genehmigungsbehörden, nicht gezwungen, auf die Aufstellung von Bauleitplänen zu verzichten, die Vogelschutzgebiete im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Unterabschnitt 4 der Vogelschutzrichtlinie erheblich beeinträchtigen können. Leben in diesen Gebieten aber prioritäre Arten oder Biotope im Sinne der FFH-Richtlinie, müssen diese in ihrer ökologischen Bedeutung im Verfahren nach § 19c Abs. 4 BNatSchG mit einem besonders hohen Rang in die Abwägung eingebracht werden.

4. Europarechtliche Ausgleichsmaßnahmen; Information der Kommission (§ 19c Abs. 5)

Weitere Voraussetzung für die Zulassung eines Vorhabens in einem geschützten Gebiet oder deren vom Erhaltungsziel umfasster Umgebung ist im übrigen, dass die Baugenehmigungsbehörde bzw. bei Vorhaben nach § 4 BImSchG die Immissionsschutzbehörde Maßnahmen vorsieht, die zur Sicherung des Netzes „NATURA 2000" notwendig sind. (§ 19c Abs. 5 BNatSchG und Art. 6 Abs. 3 Satz1 FFH-Richtlinie). Diese europarechtlichen Ausgleichsmaßnahmen unterliegen nicht der baurechtlichen Abwägung und sind begrifflich von Ausgleichsmaßnahmen abzugrenzen, die im Rahmen der Eingriffsregelung nach § 1a Abs. 2 Nr. 2 BauGB i.V.m. §§ 8a - 8c in den Bauleitplänen festzusetzen sind.

Aus § 19c Abs. 5 Satz 2 BNatSchG ergibt sich im übrigen, dass die Kommission über diese Ausgleichsmaßnahmen zu unterrichten ist. Diese Information muss auf Initiative der Gemeinde und der Länder die Bundesregierung erteilen, da allein sie dafür zuständig ist, die Kommission über die Erfüllung von Richtlinien zu unterrichten.

5. Planung in faktischen (potentiellen) Schutzgebieten

Abschließend darf ich kurz auf die außerordentlich schwierige und bisher in keiner Weise geklärte Frage eingehen, in welchem Umfang Gebiete, die von den Ländern wegen ihrer besonderen ökologischen Bedeutung in jedem Fall hätten gemeldet werden müssen, dem Schutzregime der beiden Richtlinien und des Bundesnaturschutzgesetzes unterliegen. Diese Frage ist deshalb von großer praktischer Bedeutung, weil wegen der verspäteten Umsetzung der FFH-Richtlinie die Länder FFH-Gebiete nur unvollständig gemeldet haben und aus diesem Grunde die Kommission eine Liste bisher nicht aufstellen konnte. Zu entscheiden ist zwischen potentiellen Vogelschutzgebieten und potentiellen FFH-Gebieten:

a) Potentielle Vogelschutzgebiete

Nach den Vorgaben des Art. 7 der Vogelschutzrichtlinie gelten die Regelungen des Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-Richtlinie über die Zulässigkeit von Plänen und Projekten nur für die Vogelschutzgebiete, die nach Art. 4 Abs. 1 und 2 Vogelschutzrichtlinie von den Ländern ordnungsgemäß unter Schutz gestellt wurden. Diese Regelung hat der nationale Gesetzgeber in § 19a Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG übernommen. Anders als FFH-Gebiete erlangen die Vogelschutzgebiete den Status damit nicht erst mit der Aufnahme in die Liste der EU-Kommission. Für die Europäischen Vogelschutzgebiete hat der EuGH im sog. Santona-Urteil vom 2. August 1993 ausgeführt, dass für ein Gebiet, das wegen seiner herausragenden Bedeutung für den europäischen Vogelschutz in jedem Fall, also ohne jedes Auswahlermessen, hätte unter Schutz gestellt werden müssen, unmittelbar die strengen Schutzbestimmungen des Art. 4 Abs. 4 Vogelschutzrichtlinie gelten. Im Ergebnis würde dieses Verständnis der Vogelschutzrichtlinie dazu führen, dass in diesen faktischen Vogelschutzgebieten Pläne und Projekte nur zulässig wären, soweit sie unmittelbar der Gesundheit oder Sicherheit des Menschen dienen. Zu erwähnen ist beispielhaft der Deichbau. Wirtschaftliche und soziale Gründe könnten dagegen, anders als bei ausgewiesenen Vogelschutzgebieten, in keinem Fall eine erhebliche Beeinträchtigung rechtfertigen.

Dieser Auslegung des Europäischen Rechts wird im Schrifttum aber verstärkt mit dem Argument entgegengetreten, dass ein nach nationalem Recht nicht geschütztes Vogelschutzgebiet europarechtlich keinen stärkeren Schutz genießen könne als Gebiete, die Mitgliedsstaaten ordnungsgemäß festgesetzt hätten. Auch der nationale Gesetzgeber hat sich in Kenntnis des Diskussionsstandes dafür entschieden, faktische Vogelschutzgebiete dem Schutzregime der ausgewiesenen Schutzgebiete zu unterwerfen. Dieser Auffassung ist zuzustimmen, zumal der Vogelschutz in diesen Gebieten dadurch gewährleistet ist, dass Beeinträchtigungen der Gebiete nur unter den von mir eingangs geschilderten sehr strengen Voraussetzungen des § 19c Abs. 2 bis 5 BNatSchG zulässig sind.

b) Potentielle FFH-Gebiete

Nach Art. 4 Abs. 1 Unterabschnitt 2 FFH-Richtlinie hätten die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine Liste der besonderen Schutzgebiete nach der FFH-Richtlinie innerhalb von drei Jahren nach Bekanntgabe der Richtlinie, also bis zum 5. Juni 1995, der Kommission vorlegen müssen. Dieser Termin konnte im Mitgliedstaat Deutschland nicht eingehalten werden. Auf der Grundlage dieser Meldungen hätte die Kommission nach Art. 4 Abs. 2 Satz 3 FFH-Richtlinie bis zum 5. Juni 1998 eine Liste mit den Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung erstellen müssen. Damit stellt sich in zahlreichen Verwaltungsverfahren oder auch gerichtlichen Verfahren die Frage, wie die potentiellen FFH-Gebiete rechtlich zu behandeln sind. Gegen eine Geltung des Habitatschutzes nach Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-Richtlinie bzw. den §§ 19a ff. BNatSchG für diese Gebiete wurde im wesentlichen bisher vorgetragen, dass eine Aufnahme dieser Gebiete in die Listen nach Art. 4 Abs. 3 FFH-Richtlinie gegen den Willen des Mitgliedstaaten, also des Bundes und/oder der Länder nicht möglich sei. Für die Gebiete mit sog. prioriären Arten oder Pflanzen folgt dieses schon daraus, dass bei einer unterlassenen Meldung dieser besonders schutzwürdigen Gebiete ein sog. „bilaterales Konzertierungsverfahren" nach Art. 5 FFH-Richtlinie in Verbindung mit § 19a Abs. 2 Nr. 3 BNatSchG einzuleiten ist, das nach Art. 5 Abs. 3 FFH-Richtlinie eine Aufnahme des Gebietes gegen den Willen des Mitgliedstaates ausschließt.

In dem Urteil zum Bau der A 20 hat das BVerwG allerdings diese Frage problematisiert. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung zur Vogelschutzrichtlinie vertritt das BVerwG die Auffassung, dass ein potentielles FFH-Gebiet in Betracht komme, „wenn für ein Gebiet die sachlichen Kriterien nach Art. 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie erfüllt sind", die Aufnahme in ein kohärentes Netz mit anderen Gebieten sich aufdrängt und der Mitgliedsstaat der EU die FFH-Richtlinie noch nicht vollständig umgesetzt hat. Diese mögliche Auslegung begründet das Gericht insbesondere damit, dass einem Mitgliedsstaat keine Vorteile daraus erwachsen dürfen, dass er Richtlinien der Europäischen Union vertragswidrig nicht umsetzt. Auf keinen Fall dürfe der von einer Richtlinie beabsichtigte Schutz durch vollendete Tatsachen unterlaufen werden.

Dass diese Überlegungen des BVerwG, der planenden Gemeinde, keine Lösungsansätze bieten, liegt auf der Hand. Im Schrifttum wird daher neuerdings die Auffassung vertreten, zumindest die potentiellen Arten und Lebensraumtypen würden unter den Schutz der FFH-Richtlinie fallen, wenn sie von den zuständigen Ländern dem Bund gemeldet wurden. Diese Gebiete seien nämlich „automatisch in die Gemeinschaftsgesetze zu übernehmen". Es sei deshalb reiner Formalismus, den Schutz von der Aufnahme in die Liste der EU-Kommission abhängig zu machen. Sonstige Gebiete, also Gebiete, die keine prioritären Arten oder Lebensraumtypen beherbergen, seien dagegen nicht als faktische FFH-Gebiete einzustufen. Auch diese Auslegung kann nicht überzeugen. Sie widerspricht eindeutig dem Wortlaut sowohl der FFH-Richtlinie als auch des Bundesnaturschutzgesetzes, nach der die Entstehung des Schutzes davon abhängig ist, dass die gemeldeten Gebiete in die Liste eingetragen wurden. Im übrigen ist die weitere Aussage nicht überzeugend, sowohl der Bund als auch die Länder hätten keine Befugnisse, Einfluss auf die Liste zu nehmen und seien insoweit allein als Briefträger tätig. Vielmehr zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass z.B. der Bund durchaus in der Lage ist, eine Auswahl der gemeldeten Gebiete vorzunehmen. So sind z.B. für Niedersachsen auf Initiative des Bundes militärisch genutzte Flächen aus der ersten Tranche des Landes herausgenommen worden.

Angesichts dieser sicherlich unbefriedigenden Rechtslage kann den Städten und Gemeinden nur empfohlen werden, bei der Bauleitplanung im Rahmen der Abwägung die ökologische Qualität des geschützten Gebietes mit einem hohen Wert anzusetzen. Es ist zu hoffen, dass die Rechtsprechung bald diese Streitfrage entscheidet.

IV. Rechtsschutz gegen den Vollzug der Richtlinien

Schwierige und hier nur kurz anzusprechende Probleme stellen sich bei der Frage, wie sich Städte und Gemeinden gerichtlich zur Wehr setzen können, wenn sie, durch den europäischen Habitatschutz in ihrer Planungshoheit eingeschränkt werden. Im Einzelnen dürfte Folgendes gelten:

1. Rechtsschutz einer Gemeinde gegen die Aufnahme von Gebieten in die Liste

Einmal stellt sich die Frage, welches Rechtsmittel gegen die Aufstellung der Liste nach Art. 4 Abs. 2 und 3 FFH-Richtlinie zulässig ist. Da deutsche Instanzgerichte nicht die Kompetenz haben, die Rechtmäßigkeit von Akten der Europäischen Kommission zu überprüfen, kommt wohl nur eine Nichtigkeitsklage nach Art. 230 des EG-Vertrages beim EuGH in Betracht, für die auch Gemeinden grundsätzlich die Klagebefugnis haben. Gegenstand dieser Nichtigkeitsklage ist eine Handlung eines Gemeinschaftsorganes nach Art. 230 Abs. 1 des EG-Vertrages. Mit der Aufstellung der Liste wird eine Entscheidung nach Art. 249 Abs. 4 des EG-Vertrages getroffen, die somit im Wege der Nichtigkeitsklage nach Art. 230 Abs. 1 und 5 des EG-Vertrages innerhalb von zwei Monaten ab Bekanntgabe der Liste von der Gemeinde vor dem EuGH angefochten werden kann. In diesem Verfahren könnte eine Gemeinde insbesondere geltend machen, die Aufnahme von Teilen ihres Gemeindegebietes in die Liste verstoße nach Art. 230 Abs. 2 EG-Vertrag gegen höherrangiges Recht. Ein Verstoß in diesem Sinne dürfte zu bejahen sein, wenn die Kommission Gebiete in die Liste aufgenommen hat, die die fachlichen Kriterien des Anhanges III der FFH-Richtlinie nicht erfüllen, sei es, dass die Flächen zu groß ausgewählt wurden, sei es aber auch, dass Flächen aufgenommen wurden, auf denen im Zeitpunkt der Aufnahme keine geschützte Arten oder Biotope mehr nachgewiesen werden können. Auch die Frage, ob überplante Flächen in die Liste aufgenommen werden dürfen, könnte in diesem Verfahren geklärt werden.

Die Nichtigkeitsklage vor dem EuGH setzt im übrigen nach Art. 230 Abs. 4 EG-Vertrag eine unmittelbare und individuelle Rechtsverletzung der klagenden Gemeinde voraus. Allein der Umstand, dass Teile des Gemeindegebiete in die Liste der Kommission aufgenommen wurden, dürfte keine Klagebefugnis in diesem Sinne begründen. Vielmehr ist in Anlehnung an die deutsche Rechtsprechung zur Klagebefugnis der Gemeinden gegen überörtliche Planungen zu fordern, dass die Gemeinde mit der Aufnahme bestimmter Gebiete in ihrer Planungshoheit unmittelbar betroffen sein muss, die Liste insbesondere somit Gebiete erfassen muss, für die bereits eine hinreichend bestimmte gemeindliche Planung vorliegt. Aus diesen allgemeinen Grundsätzen ist abzuleiten, dass eine Gemeinde sich wohl nur dann mit der Nichtigkeitsklage an den Europäischen Gerichtshof wenden kann, wenn Gebiete gemeldet wurden, die entweder in Bauleitplänen dargestellt oder festgesetzt sind oder für die zumindest konkrete Planentwürfe, etwa nach § 33 BauGB, oder informelle Entwicklungsplanungen vorliegen. Soweit das Gebiet eines Bebauungsplanes bzw. nach § 33 BauGB in die Liste aufgenommen wurde, könnte einer Klagebefugnis der Gemeinden entgegengehalten werden, dass nach § 19 f Abs. 1 Satz 1 BNatSchG der Europäische Habitatschutz bei der Realisierung dieser Planung nicht gilt. Da allerdings in der FFH-Richtlinie eine entsprechende Regelung fehlt, wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, § 19f Abs. 1 Satz 1 BNatSchG sei nicht gemeinschaftsrechtskonform und gelte deshalb nur für Vorhaben in Gebieten von Bauleitplänen bzw. Entwürfen, die bereits auf der Grundlage der FFH-Richtlinie bzw. des § 19c BNatSchG aufgestellt wurden. Aus diesem Grunde dürfte Städten und Gemeinden ungeachtet des § 19f Abs. 1 Satz 1 BNatSchG die Klagebefugnis zustehen, sich gegen die nach ihrer Auffassung gemeinschaftsrechtswidrige Aufnahme von Gebieten nach den §§ 30, 33 BauGB in die EU-Liste vor dem Europäischen Gerichtshof zur Wehr zu setzen. Entsprechendes dürfte für Gebiete nach den §§ 34 und 35 Abs. 6 BauGB gelten.

2. Rechtsschutz gegen eine Meldung von Gebieten durch die Länder

Nach dem gesetzlich bestimmten Verfahren zur Aufstellung der Liste der Kommission werden die von den Ländern gemeldeten Gebiete in der Regel in die Liste der EU-Kommission aufgenommen. In jedem Fall besteht nach einer verbreiteten Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum die Wahrscheinlichkeit, dass insbesondere FFH-Gebiete mit prioritären Arten oder Biotopen spätestens im Zeitpunkt der Meldung dieser Gebiete an den Bund die rechtliche Qualität eines faktischen FFH-Gebietes erhalten. Für die betroffenen Städte und Gemeinden kann sich daher die Frage stellen, ob sie, ungeachtet der Möglichkeit einer Nichtigkeitsklage vor dem EuGH, nicht schon bei den nationalen Gerichten Rechtsschutz gegen die Meldung von FFH-Gebieten geltend machen können. Diese ist zu bejahen, da Gebiete nach der Meldung nur unter den einschränkenden formellen und materiellen Voraussetzungen des § 19c BNatSchG überplant werden dürfen und insoweit die Planungshoheit eingeschränkt werden kann. Zumindest in den Fällen, in denen für die gemeldeten Gebiete bereits Pläne oder konkrete Planentwürfe erstellt wurden, dürfte insoweit eine Klagebefugnis aus dem Blickwinkel des Art. 28 Abs. 2 GG anzunehmen sein. Zulässige Klageart wäre die allgemeine Leistungsklage in Form der Unterlassungsklage, da die Meldung eines Gebietes durch die Bundesländer der Gemeinde gegenüber wohl kein Verwaltungsakt ist.

3. Vorbeugende Unterlassungsklage der Gemeinde gegen eine beabsichtigte Meldung

Von Bedeutung kann weiter sein, ob Städte und Gemeinden sich gegen die beabsichtigte Meldung im Wege der sog. vorbeugenden Unterlassungsklage gerichtlich zur Wehr setzen können. Als Voraussetzung dieser Variante einer Leistungsklage muss die Gemeinde aber ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis nachweisen. Insbesondere muss feststehen, dass ein Gebiet in die Liste aufgenommen werden soll. Außerdem muss der spätere Rechtsschutz unzumutbar sein. Im Hinblick darauf, dass die Gemeinde mit der Meldung eines Gebietes auf der Grundlage des § 19c BNatSchG erheblich in ihrer Planungshoheit eingeschränkt wird, sprechen Gründe eines effektiven Rechtsschutzes dafür, betroffenen Städten und Gemeinden gegen die Meldung der Gebiete das Rechtsmittel der vorbeugenden Unterlassungsklage zu gewähren.

Diese beiden Formen der Leistungsklage können Erfolg haben, wenn die Meldung von Gebieten rechtswidrig ist. Dieses ist insbesondere der Fall, wenn Gebiete gemeldet werden bzw. gemeldet werden sollen, ohne dass die fachlichen Voraussetzungen auf der Grundlage des § 19c Abs. 1 Satz 1 BNatSchG und der FFH-Richtlinie bzw. der Anhänge erfüllt sind. In diesen gerichtlichen Verfahren prüfen somit die nationalen Verwaltungsgerichte, ob die gemeldeten bzw. für eine Meldung vorgesehenen Gebiet fachwissenschaftlich diesen Vorgaben entsprechen. Dabei spielt auch das gemeinschaftsrechtliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit eine Rolle, insbesondere in den Fällen, in denen offensichtlich Flächen ausgesucht wurden, die nach Größe und Zuschnitt nicht mehr den Erfordernissen der FFH-Richtlinie entsprechen. Soweit Gebiete gemeldet wurden bzw. gemeldet werden sollen, die bereits rechtskräftig überplant wurden, müssen die Verwaltungsgerichte auch entscheiden, ob die Meldung dieser Gebiete den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entspricht. Schließlich kann die Gemeinde auch geltend machen, sie sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.

4. Rechtsschutz im Rahmen der Festsetzung von Vogelschutzgebieten

Vogelschutzgebiete erhalten diese rechtliche Qualität nicht durch eine Meldung der Länder, sondern allein dadurch, dass sie die Mitgliedstaaten nach innerstaatlichem Recht Flächen zu Vogelschutzgebieten erklärt haben (§ 19a Abs. 2 Nr. 4 BNatSchG). Der Rechtsschutz der Gemeinden bestimmt sich daher nach allgemeinen Grundsätzen. Gegen die Verordnung selbst, im Regelfall eine Naturschutzverordnung, ist unter den Voraussetzungen des § 47 VwGO ein Normenkontrollverfahren zulässig. In diesem Verfahren prüft das OVG, ob das Land bei der Festsetzung der Gebiete die formellen und materiellen Voraussetzungen des Art. 4 Vogelschutzrichtlinie eingehalten hat und ob die betroffene Gemeinde ordnungsgemäß beteiligt wurde.

5. Rechtsschutz gegen die Versagung der Genehmigung von Bauleitplänen wegen Verstoßes gegen den Habitatschutz

Lehnt die höhere Verwaltungsbehörde die Genehmigung eines Bauleitplanes oder einer Satzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB mit der Begründung ab, die Gemeinde habe bei der Aufstellung gegen die in § 19c Abs. 1 bis 5 BNatSchG geltenden Grundsätze verstoßen, kann die Gemeinde gegen diese Entscheidung nach allgemeinen Grundsätzen Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 2 VwGO erheben. Die Entscheidung der Gemeinde über die Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung, über die Prüfung zumutbarer Alternativen nach § 19c Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG sowie über die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen nach § 19c Abs. 5 BNatSchG wird nicht im Rahmen der baurechtlichen Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB getroffen. Vielmehr sind die Vorgaben des BNatSchG zwingender Planungsleitsatz und somit striktes Recht. Das Verwaltungsgericht kann daher die Einhaltung dieser Bestimmungen uneingeschränkt überprüfen. Die auf Abwägungsfehler der Gemeinde zugeschnittenen §§ 214 Abs. 3, 215 Abs. 1 Nr. 2 und 215a BauGB sind insoweit nicht anzuwenden. Ist das Bauleitplanverfahren vor dem 9. Juni 1994, also vor dem Zeitpunkt abgeschlossen worden, bis zu dem die FFH-Richtlinie und damit insbesondere Art. 6 Abs. 2 bis 4 und Art. 7 in innerstaatliches Recht hätten umgesetzt werden müssen, sind die Bestimmungen über den Habitatschutz nicht anzuwenden.

6. Rechtsschutz Dritter

Wendet sich ein Dritter gegen einen Bauleitplan mit der Begründung, die Planung verstoße gegen § 19c BNatSchG gelten in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO oder im Rahmen einer Inzidentprüfung die folgenden Grundsätze:

a) Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO

Ist der Dritte nach dem zum 1. Januar 1997 geänderten § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt, findet im Normenkontrollverfahren weiterhin eine objektive Rechtskontrolle statt, bei der die Rechtmäßigkeit des Planes insgesamt zu überprüfen ist. Ein derartiger Antrag hat somit insbesondere Erfolg, wenn der Bebauungsplan gegen die Bestimmungen des § 19c BNatSchG bzw. Art. 6 Abs. 2 bis 4 und 7 FFH-Richtlinie verstößt.

Soweit die Gemeinde einen genehmigungsfreien Bebauungsplan in Kraft gesetzt hat, kann nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auch eine Behörde ein Normenkontrollverfahren einleiten. Antragsbefugt in diesem Sinne sind die höhere Verwaltungsbehörde und auch die untere Bauaufsichtsbehörde, da diese den nach ihrer Auffassung wegen Verstoßes gegen § 19c BNatSchG möglicherweise unwirksamen Bebauungsplan anwenden müssen. Die Kommunalaufsichtsbehörde dürfte dagegen nicht antragsbefugt sein.

b) Inzidentprüfung

Wendet sich ein Dritter inzident gegen einen Bebauungsplan, z.B. als Eigentümer eines Wohngebäudes im Außenbereich im Wege einer Nachbarschaftsklage gegen die Erteilung einer Baugenehmigung für einen Windenergiepark, der Teile eines geschützten Gebietes mit seinen Erhaltungszielen erfasst, kann auch in diesem Verfahren ein Verstoß gegen die habitatschutzrechtlichen Bestimmungen geltend gemacht werden, wenn dieser Bebauungsplan insoweit rechtswidrig ist.

V. Ausblick

Dieser Beitrag hat gezeigt, dass das Verhältnis zwischen der Planungshoheit und dem europäischen Habitatschutz rechtlich außerordentlich kompliziert ist. Die Überplanung von Gebieten ist aus diesen hier dargestellten Gründen mit vielfältigen Problemen belastet, die im Regelfall nur von hochqualifizierten Planern in enger Zusammenarbeit mit Juristen bewältigt werden können. Der europäische Habitatschutz ist somit ein Beispiel dafür, dass das Europäische Recht immer stärker auch in das Recht der Bauleitplanung hineinwirkt.